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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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nicht der reichste Mann in England, diente in Fords Regiment als gewöhnlicher Soldat. Ford saß eines Abends in der Bibliothek. Die Bibliothek war ein ganz außergewöhnlicher Raum. Die Wände bestanden aus Ziegelsteinen von Gold, die mit Kacheln oder irgend so was eingefaßt waren. Ich weiß nicht mehr genau, wie es war.»
    «Erzählen Sie weiter», drängte Scripps. «Das macht nichts.»
    «Auf jeden Fall war mitten in der Wand der Bibliothek ein ausgestopfter Flamingo in einem Glaskasten.»
    «Die verstehen sich auf Inneneinrichtung, diese Engländer», sagte Scripps.
    «Ihre Frau war Engländerin, nicht wahr?» fragte Mandy.
    «Aus dem Lake District», antwortete Scripps. «Erzählen Sie doch die Geschichte weiter.»
    «Na, wie auch immer», fuhr Mandy fort. «Ford saß eines Abends, nachdem er in der Messe gegessen hatte, in der Bibliothek, als der Diener reinkam und sagte: ‹Der Marquis von Buque läßt sich empfehlen, und ob er einer Anzahl von Freunden, mit denen er gespeist hat, die Bibliothek zeigen dürfe?› Sie gestatteten ihm, auswärts zu essen, und manchmal gestatteten sie ihm, im Schloß zu schlafen. Ford sagte: ‹Gut›, und herein kam der Marquis in der Uniform eines Gemeinen, gefolgt von Sir Edmund Gosse und dem Professor Wie hieß er noch? Ich hab es im Augenblick vergessen. Aus Oxford.
    Gosse blieb vor dem ausgestopften Flamingo im Glaskasten stehen und sagte: ‹Was haben wir denn hier, Buque?›
    ‹Das ist ein Flamingo, Sir Edmund›, antwortete der Marquis.
    ‹So stell ich mir aber einen Flamingo nicht vor›, bemerkte Gosse.
    ‹Nein, Gosse, so stellt sich der liebe Gott einen Flamingo von, sagte Professor Wiehießernoch. Ich wünschte, mir fiele der Name wieder ein.»
    «Ist ja einerlei», sagte Scripps. Seine Augen glänzten. Er beugte sich vor. Etwas hämmerte in seinem Innern. Etwas, was er nicht kontrollieren konnte. «Ich liebe dich, Mandy», sagte er. «Ich liebe dich. Du bist meine Frau.» Das Ding in ihm hämmerte fort. Es wollte nicht aufhören.
    «Schon gut», antwortete Mandy. «Ich wußte schon lange, daß du mein Mann bist. Möchtest du noch eine Geschichte hören? Da wir gerade von Frauen sprechen.»
    «Fahr fort», sagte Scripps. «Du darfst niemals aufhören, Mandy. Du bist jetzt meine Frau.»
    «Klar», pflichtete Mandy bei. «Diese Geschichte handelt von Knut Hamsun, als er Straßenbahnschaffner in Chicago war.»
    «Mach weiter», sagte Scripps. «Du bist jetzt meine Frau, Mandy.»
    Er wiederholte den Satz in seinem Innern. Meine Frau. Meine Frau. Du bist meine Frau. Sie ist meine Frau. Es ist meine Frau. Aber irgendwie war er nicht befriedigt. Irgendwo, irgendwie mußte es etwas anderes geben. Etwas anderes. Meine Frau. Die Worte klangen jetzt ein bißchen hohl. In seinem Innern-obschon er versuchte, es loszuwerden – war wieder das monströse Bild der Squaw, wie sie schweigend das Zimmer betreten hatte. Diese Squaw. Sie trug keine Kleider, weil sie Kleider nicht mochte. Abgehärtet trotzte sie den Winternächten. Was mochte der Frühling nicht alles bringen? Mandy redete. Mandy redete immer weiter in der Bohnenstube. Mandy erzählte ihre Geschichten. Es wird spät in der Bohnenstube. Mandy redet weiter. Sie ist jetzt seine Frau. Er ist ihr Mann. Aber ist er ihr Mann? In Scripps ist diese Vision der Squaw. Der Squaw, die unangemeldet in die Bohnenstube geschritten kam. Die Squaw, die man in den Schnee hinausgestoßen hatte. Mandy redet weiter. Sie erzählt literarische Reminiszenzen, authentische Erlebnisse. Sie hatten den Klang der Wahrheit. Aber war das genug? Scripps wußte nicht recht. Sie war seine Frau. Aber für wie lange? Scripps wußte nicht recht. Mandy redet weiter in der Bohnenstube. Scripps hört zu. Aber seine Gedanken schweiften ab. Schweiften ab. Schweiften ab. Wohin schweiften sie ab? Hinaus in die Nacht. Hinaus in die Nacht.

4
    Nacht in Petoskey. Lange nach Mitternacht. Drinnen in der Bohnenstube brennt Licht. Die Stadt schläft unter dem nordischen Mond. Nordwärts laufen die Gleise der G.R.&I.-Eisenbahn, weit hinauf in den Norden. Kalte Gleise, die sich nordwärts strecken nach Mackinaw City und St. Ignace zu. Kalte Gleise zum Entlanggehen zu dieser Nachtzeit.
    Nordwärts von der eingefrorenen kleinen nordischen Stadt geht ein Paar nebeneinander auf den Gleisen. Es ist Yogi Johnson, der mit der Squaw geht. Während sie gehen streift Yogi Johnson schweigend seine Kleidungsstücke ab und wirft sie neben die Gleise. Zum Schluß hat er nichts weiter

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