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Die Sturmfluten des Frühlings

Die Sturmfluten des Frühlings

Titel: Die Sturmfluten des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Arbeiter trotteten – einige unterhielten sich, andere schwiegen, ein paar brummten auch vor sich hin – in den Waschraum, um sich zu säubern.
    Draußen durchs Fenster tönte der Klang von einem indianischen Kriegsruf.

2
    Scripps O’Neil stand vor der High School von Mancelona und blickte zu den erleuchteten Fenstern hinauf. Es war dunkel und es schneite. Es hatte geschneit, so lange Scripps sich erinnern konnte. Jemand kam vorbei und blieb stehen und starrte Scripps an. Aber was ging ihn der Mann da schließlich schon an? Er ging weiter.
    Scripps stand im Schnee und starrte zu den erleuchteten Fenstern der High School hinauf. Dort drinnen lernte man alles mögliche. Man arbeitete bis tief in die Nacht; die Jungens wetteiferten mit den Mädchen in dem Drang nach Wissen, diesem Trieb, alles mögliche zu lernen, der ganz Amerika ergriffen hatte. Seine Tochter, das kleine Läuschen, seine Tochter, die ihn die Kleinigkeit von 75 Dollar an Arztrechnungen gekostet hatte, war da drinnen und lernte. Scripps war stolz darauf. Für ihn war es zu spät zum Lernen, aber Läuschen lernte da tagaus, tagein, Abend für Abend. Läuschen lernte. Die hatte das Zeug dazu in sich, das Mädchen.
    Scripps ging weiter, zu seinem Haus hinauf. Es war kein großes Haus. Aber die Größe machte seiner Alten nichts aus.
    «Scripps», sagte sie häufig, wenn sie zusammen tranken. «Ich will gar keinen Palast. Alles, was ich haben will, ist ein Plätzchen, um mich vor dem Wind zu schützen.»
    Scripps hatte sie beim Wort genommen. Als er jetzt am späten Abend durch den Schnee ging und den Lichtschein aus seinem eigenen Heim erblickte, war er froh, daß er sie beim Wort genommen hatte. Dies war besser, als in einen Palast heimzukehren. Er, Scripps, war nicht die Art Mensch, der einen Palast haben wollte.
    Er öffnete die Tür seines Hauses und ging hinein. Etwas ging ihm wieder und wieder durch den Kopf. Er versuchte es loszuwerden, aber es gelang ihm nicht. Was war es noch, was dieser Dichterling, den sein Freund, Harry Parker, mal in Detroit kennenlernte, geschrieben hatte? Harry pflegte es aufzusagen: ‹In Palästen lebt man in Saus und Braus. Tatata, aber am schönsten ist es zu Haus.› Er konnte sich nicht an die Worte erinnern. Nicht an alle. Er hatte eine einfache Melodie dazu geschrieben, und Lucy beigebracht, sie zu singen. Das war am Anfang ihrer Ehe gewesen. Scripps hätte ein Komponist sein können, einer von diesen Jungens, die das Zeug schreiben, das das Chicagoer Symphonieorchester spielt, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, weiterzumachen. Er würde Lucy bitten, das Lied heute abend zu singen. Er würde niemals wieder trinken. Trinken beraubte ihn seines musikalischen Gehörs. Zuzeiten, wenn er betrunken war, klang ihm das Pfeifen der Züge, die nachts die Steigung bei Boyne Falls hinaufdampften, schöner als irgend etwas, was dieser Mensch, dieser Strawinsky, jemals geschrieben hatte. Das kam vom Trinken. Es war unrecht. Er würde nach Paris abhauen. Wie der Mensch, der Albert Spalding, der Violine spielte.
    Scripps öffnete die Tür. Er ging hinein. «Lucy!» rief er. «Ich bin’s, Scripps.» Er würde niemals mehr trinken. Schluß mit den Nächten draußen auf den Eisenbahngleisen! Vielleicht brauchte Lucy einen neuen Pelzmantel. Vielleicht hätte sie schließlich doch lieber einen Palast gehabt statt dieser vier Wände. Man wußte niemals, wie man eine Frau eigentlich behandelte. Vielleicht hielten diese vier Wände gar nicht den Wind ab. Phantastisch. Er zündete ein Streichholz an. «Lucy!» rief er, und ein Ton sprachlosen Grauens war in seiner Kehle. Sein Freund Walter Simmons hatte genau so einen Schrei von einem Hengst gehört, der einst auf der Place Vendome von einem vorbeikommenden Autobus überfahren worden war. In Paris gab es keine Wallache. Alle Pferde waren Hengste. Sie züchteten keine Stuten. Nicht seit dem Krieg. Durch den Krieg war alles anders geworden.
    «Lucy», rief er und wieder: «Lucy!» Er erhielt keine Antwort. Das Haus war leer. Als er allein so in seiner mageren Größe dastand, in seinem eigenen verlassenen Haus, drang durch die schnee-erfüllte Luft an Scripps’ Ohren der entfernte Klang eines indianischen Kriegsrufs.

3
    Scripps verließ Mancelona. Mit dem Ort war er fertig. Was konnte ihm eine Stadt wie diese hier bieten? In der war nichts zu holen. Man arbeitete sein Leben lang, und dann geschah so etwas. Die Ersparnisse von Jahren waren hin. Alles weg. Er machte sich nach Chicago

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