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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: blazon
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seinem Gürtel – dicke und dünne, lange und ganz kurze, die in Knoten endeten. Über die Schulter hatte er sich weitere Seile gelegt. Kein Zweifel – er war bis an die Zähne ausgerüstet. Aber wofür?
    »Der Sturm hat schlimm getobt«, begann er ernst. »Am Seilermarkt haben wir nur die Ausläufer mitbekommen, aber am Hafen hat ein Fallwind einige Schiffe zerstört und von der Strömung wurden ganze Ladungen in das Hafenbecken gezogen.«
    »Ist deiner Familie etwas passiert – oder deinen Freunden?«
    Es kostete Amber viel, eine so direkte Frage zu stellen, aber Inu schien darüber nicht verärgert zu sein. Im Gegenteil – er schenkte ihr sogar ein Lächeln.
    »Nein, es geht ihnen gut. Nur die Seilerei ist überschwemmt worden. Die Seile und viel Grundmaterial sind aufgequollen. Das ist ein Verlust. Nun… im Hafen kann man heute deshalb jede Hand gebrauchen. Und da dachte ich… du suchst doch Arbeit. Ich nehme dich mit, wenn du willst.«
    Amber verschränkte die Finger ineinander. Im ersten Augenblick wäre sie am liebsten aufgesprungen und hätte zugestimmt, aber dann meldete sich wieder das Misstrauen – jener Freund, der sie bisher nie im Stich gelassen hatte. Nun, genau genommen war es ihr einziger Freund.
    »Was soll ich machen? Einen Gemüsekarren ziehen?«
    Zufrieden sah sie, dass Inu zusammenzuckte. Doch dann überraschte er sie wieder. Ohne zu antworten, setzte er sich neben sie auf den Boden und schnürte einen Beutel auf, den er zusammen mit den Seilen über der Schulter getragen hatte. »Wie ich Uja kenne, wird sie lieber ihre Algenmatten braten, als ihren Gästen genießbares Essen anzubieten.«
    Er holte einen Packen aus der Tasche hervor und schnürte ihn auf. Nach Salz und grünen Gewürzen duftendes Fischfleisch kam zum Vorschein. Beim Anblick der dunkelbraunen Kruste lief Amber das Wasser im Mund zusammen. Der Duft störte den Schlaf der anderen Gäste, manche regten sich und blinzelten, um dann doch wieder einzuschlafen. Amber sah zusammengezogene Augenbrauen und Traumschatten, die über Gesichter huschten.
    »Snaifisch«, erklärte Inu. »Die Snais kennst du doch wenigstens, oder?«
    Amber war froh, nicken zu können. »Sie sind furchtbar hässlich«, sagte sie fachmännisch. Vor dem Sturm hatte sie Fischer dabei beobachtet, wie sie in den kleinen Fangbooten die Ungetüme zum Hafen brachten: knorpelige Gebirge mit einer Stachelkette auf dem Rücken und einem Froschmaul.
    »Vor allem sind sie köstlich«, ergänzte Inu. »Der hier hat eine Salz- und Honigkruste. Halt! Augenblick noch… ohne Giel solltest du ihn nicht probieren. Er ist sonst zu süß.«
    Giel. Amber verzog das Gesicht. Der saure Algentee, den es in Dutzenden verschiedenen Sorten gab. Das Getränk Dantars. Man bekam ihn überall – an den Ständen und Marktplätzen und in jedem Haus. Er schmeckte grässlich, aber wenn man nicht verdursten wollte, kam man in Dantar nicht umhin, Giel zu trinken.
    Inu hatte bereits einen Trinkbeutel hervorgeholt. Amber versuchte sich ihre Faszination nicht anmerken zu lassen: Der Beutel bestand aus einer getrockneten, mit Hornplatten überzogenen Silberhaut. Mit etwas Fantasie konnte man sich vorstellen, dass es ein sehr runder, flacher Fisch gewesen war, der nun als Gefäß diente.
    »Mondfisch«, erklärte Inu. »Er trägt eine Art Rüstung, siehst du? Er wird ausgenommen, getrocknet und gegerbt wie Leder. Die Haut ist wasserdicht. Also: Hinag Dantar! Das ist unser Trinkspruch und er bedeutet: ›So viel Tropfen wie in Dantars Bucht!‹«
    »Hinag Dantar!«, sagte Amber mit großem Ernst. Sie kämpfte ihren Widerwillen nieder und setzte die Flasche an die Lippen. Nun, sie hatte zwar mit dem Schlimmsten gerechnet, aber selbst der widerliche Gieltee, den Uja kochte, war gegen dieses Gebräu hier das reinste Zuckerwasser. Es zog jede Muskelfaser im Kiefer schmerzhaft straff und hinterließ im Mund ein Gefühl, als hätte jemand gewaltsam eine grüne Zitrone hineingedrückt.
    »Und jetzt einen Bissen Snai. Schnell!«, sagte Inu. Amber schob sich das Fleisch mit der süßen Honigkruste in den Mund. Die Wirkung war verblüffend: Der saure Geschmack löste sich vollkommen auf, das Aroma von würzigem Fischfleisch füllte ihre Nase, süße und säuerliche Würze kitzelten ihre Zunge. Gierig schlang sie den Rest des Fisches hinunter und bemerkte zu spät, dass sie ohne nachzudenken auch Inus Anteil verspeist hatte.
    »Entschuldige«, sagte sie zerknirscht. »Ich hatte ganz vergessen, wie hungrig

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