Die Sünde aber gebiert den Tod
danieder liegt. Und dazu hätte ich gerne Euren Rat gehört.« Mit gesenkter Stimme berichtete Almut über die bedenklichen Symptome, die sich bei der Kranken gezeigt hatten.
»Mh, mh. Euer Verdacht könnte sich als wahr erweisen. Aber es könnte auch etwas anderes sein. Die Krankheitszeichen sind nie ganz eindeutig. Am besten besucht ihr die Prüfmeister in Melaten. Wenn Eure Frau Gertrud nach dem Christfest so weit ist, den Weg dorthin zu schaffen, bin ich gerne bereit, der Untersuchung beizuwohnen.«
»Ja, ich hatte gehofft, Ihr würdet uns beistehen, Meister Krudener. Ich werde Euch Nachricht schicken, wann wir kommen. Aber bitte wahrt bis dahin Stillschweigen.«
»Ihr habt Angst, ansonsten die Feiertage bei Grütze und Gänsewein verbringen zu müssen?« Der Apotheker lachte leise krächzend auf.
»So ist es!«
»Nun, bei mir bekommt Ihr keinen Gänsewein, sondern einen ganz besonders guten Tropfen.« Er stand auf, nahm einen Weinkrug vom Bord und goss Almut und sich einen Becher voll ein. »Eine Gabe des Klosters zum Christfest! Den hat Euer Pater Ivo vor einigen Tagen vorbeigebracht.«
»Er ist nicht mein Pater, und ich dachte, Ihr seid nicht gut auf ihn zu sprechen!«
»Hindert mich das daran, seinen teuren Wein zu trinken? «
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Dann aber flüsterte die nagende Neugier Almut wieder eine Frage ins geneigte Ohr, von der sie wusste, es wäre besser, sie eigentlich nicht zu stellen. Doch ihre Zunge war schneller und sprach: »Sagt, warum grollt Ihr Pater Ivo eigentlich?«
Mit bebender Stimme deklamierte der Apotheker: »Oh, Frau Sophia, das ist eine lange Geschichte!«
»Ich hätte ein wenig Zeit zu erübrigen, Meister Krudener.«
»Es ist auch eine böse und üble Geschichte, mein Kind. Eine von Untreue und Falschheit und Verrat an guten Freunden. Lasst Euch dadurch nicht den Tag verderben.«
Zweifelnd sah Almut den hochgewachsenen Mann an, dessen hageres Gesicht sich in traurige Falten gelegt hatte.
»Warum grämt Ihr Euch darüber so? Ihr hasst ihn nicht, auch wenn Ihr ihm immer mit Bitterkeit begegnet. Und er... ich weiß, er schätzt Euch sehr.«
»Schweigt stille darüber, Kind. Das Schicksal hat es so gefügt, dass ich einen einstmals guten Freund an ihm verlor.«
»Venus in Aries!«, kreischte plötzlich der Papagei auf, und die kleine graue Katze flüchtete von ihrem warmen Platz am Kamin unter den Tisch. »Mercurio in Gemini!«
Almut zuckte zusammen und fragte: »Was hat der verrückte Vogel denn plötzlich?«
Krudeners traurige Miene glättete sich, und er antwortete: »Ah, er erinnert mich an etwas. Ihr habt doch vor einiger Zeit wissen wollen, was die Sterne für Euer Leben bedeuten. Nun, ich habe Euer Horoskop berechnet, Frau Almut.«
Almut erinnerte sich an das frühere Gespräch, undauch an ihre Zweifel an der Macht der Planeten. Doch nun wurde ihr ein wenig unbehaglich, als sie vernahm, der Apotheker, der auch mit den Künsten der Alchimie und vielleicht sogar der Magie vertraut war, habe Einblick in ihr Leben genommen. Meister Krudener deutete ihren Gesichtsausdruck richtig.
»Ihr wollt es nicht wissen, was die Gestirne Euch bestimmen?«
»Ich bin mir nicht sicher... Ach was, lasst es hören, Meister Krudener. Ihr habt ja behauptet, sie zeigen nur die Veranlagung, nicht das unabwendbare Schicksal!«
»Das sagte ich. Nun, schauen wir uns das Geschehen an, das sich zum Zeitpunkt Eurer Geburt am Himmel abspielte.« Er zog ein gefaltetes Pergament unter den Stapeln von Büchern und Wachstäfelchen hervor, die den Tisch übersäten, glättete es und deutete auf ein Muster aus Linien und seltsamen Symbolen. »Im Jahr der Pest – das war das eintausenddreihundertneunundvierzigste Jahr nach der Geburt unseres Herrn, am Tag des Märtyrers Johannes, also am achtzehnten Mai, stand die Sonne im Zeichen des Taurus. Des himmlischen Stiers, Frau Almut, der Euch Ausdauer und Geduld beschert!«
»Dann lügen die Sterne, Geduld ist gewiss nicht meine Stärke!«
Krudener krächzte vor Heiterkeit.
»Wie wenig Ihr Euch kennt, Frau Begine! Hört weiter! Auch die Verbundenheit mit der Erde, Baumeisterin, ist Euch in die Wiege gelegt und der Sinn für praktisches Handeln.«
»Mh. «
»Seht Ihr! Nun, der eilige Merkur wandelte just durch das Zeichen der Gemini, der Zwillinge also, und beschertEuch eine gewisse, wenn nicht sogar starke Neigung zur Neugierde und eine voreilige Zunge, nicht wahr?«
»So sind denn die Sterne Schuld an meinem schlimmen Hang, zu
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