Die Sünde aber gebiert den Tod
und Fläschchen die Wände entlangzogen.
»Nicht für jeden!«, antwortete eine hohe, krächzende Stimme. »Wer seid Ihr?«
»Almut und Frau Franziska!«
»Ich bin zu Hause!«, krächzte es erfreut, und der schwere Vorhang vor dem Durchgang zu den hinteren Räumen flatterte auf. Mit ebenso flatternden Ärmeln schwankte die vogelscheuchenähnliche Gestalt des Apothekers herbei. Almut sah, wie Franziska den Atem anhielt, als befürchtete sie, es würden jeden Augenblick Kästchen und Phiolen, Schalen, Krüglein und Schachteln von den Regalen gefegt. Aber nichts dergleichen geschah.
»Ah, Frau Sophia, die Frau Weisheit selbst kommt mich besuchen. Seid mir willkommen. Ihr bringt das Licht in mein Heim an diesem düsteren Tag!«, begrüßte der Apotheker die beiden.
»Ob ich Euch Weisheit bringe, weiß ich nicht, Meister Krudener, aber ich habe unsere Köchin mitgebracht.«
»Eine Köchin? Wollt Ihr mir eine Köchin andrehen?« Er musterte Franziska von oben herab und rümpfte dieNase. »Ist das wieder so ein Geschöpf, dem Ihr zur Flucht verholfen habt?«
Einen Moment versteifte sich Franziska, und hektische Flecken breiteten sich über ihren Wangen aus. Sie verbarg die nervös zitternden Hände unter dem Umhang und biss sich vor innerer Anspannung auf die Lippen. Dann aber straffte sich die kleine Gestalt entschlossen. Trotz Almuts Warnung war ihr Tonfall giftig, als sie antwortete: »Und wenn ich auf der Flucht wäre, dann nur vor den Geistern der Erinnerung. Aber ob ich vor Geistern gerade hier bei Euch Schutz fände, möchte ich bezweifeln!«
Almut schüttelte unwillig den Kopf, schwieg aber, und Meister Krudener gab ein heiseres Gackern von sich. »Bei mir, dem Meister der Geister, seid Ihr sicher, Frau Franziska. Hat die Begine Euch nicht anvertraut, dass ich mit den Mächten der Finsternis einen Pakt geschlossen habe?«
Mit vorwurfsvoller Miene, aber einem belustigten Augenzwinkern, wies Almut den Apotheker zurecht: »Meister Krudener, Ihr erschreckt Frau Franziska, und das kann ich nicht erlauben. Wir sind froh, sie zu haben, denn sie hat uns von einer Fastenkost aus fader Grütze und verbranntem Brot erlöst.«
»Dann verdient sie meine Achtung. Frau Franziska, ich bin ein harmloser Mann von sanftem Gemüt. Erfreut mein Heim mit Eurer Anwesenheit.«
Noch immer misstrauisch folgte Franziska der Begine, als Krudener sie mit einer flatternden Handbewegung durch den Vorhang in die hinteren Räumlichkeiten geleitete. Sie waren erheblich heller und luftiger als der finstere Apothekenraum. In dem riesigen Kamin brannte ein lustiges Feuer, aus einigen gar wunderlich anzuschauendenGeräten entwich zischend Dampf, und es roch durchdringend nach Gärung. Trine, die mit aufgekrempelten Ärmeln und hochgebundenen, honigblonden Zöpfen in einem gewaltigen Kessel rührte, bemerkte die Ankömmlinge, ließ alles stehen und liegen und eilte auf Almut zu.
»Hoppla, Trine!«
Almut fing sie mit beiden Armen auf und drückte sie an sich. Mit flinken Fingern stellte sie ihr Fragen nach ihrem Befinden, und das Mädchen antwortete ihr auf die gleiche Weise. Sie beide hatten vor einiger Zeit die Fingersprache von den Benediktinerinnen gelernt, die diese während der Schweigestunden untereinander verwendeten, und gemeinsam hatten sie noch eine Reihe eigener Zeichen dazu erfunden. Darum sah Trine dann Franziska auch erwartungsvoll an.
»Sie versucht sich im Bierbrauen, und ich habe ihr mitgeteilt, sie fände darin in Euch eine Meisterin. Ich denke, Trine hat ein paar Fragen an Euch, die Ihr sicher beantworten könnt!«
Zweifelnd sah Franziska zwischen Almut und Trine hin und her. Schließlich war es Trine, die ihr sanft die Hand auf den Arm legte und mit bittender Miene auf den Kessel wies. Mit einer schnuppernden Bewegung ihrer Nase und ein paar ausdrucksvollen Handbewegungen machte sie klar, dass es ihr um die Frage der Würze ging. Franziska war augenblicklich in ihren Bann geschlagen und folgte ihr willig zum brodelnden Kessel.
»Putrefactio, Separatio«, krächzte der Papagei, der auf einer Stange über dem Kaminsims saß, sich wichtigtuerisch aufplusterte und ein grünes Federchen auf Trines Haar schweben ließ, als sie sich zusammen mit Franziska über das Gebräu beugte.
»Ah, die beiden werden nun einige Zeit miteinander fachsimpeln. Setzt Euch, Frau Almut, und berichtet mir, was es Neues bei Euch gibt?«
»Nicht nur Gutes, Meister Krudener. Frau Franziska ist als Köchin eingesprungen, weil unsere Gertrud krank
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