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Die Sünde aber gebiert den Tod

Die Sünde aber gebiert den Tod

Titel: Die Sünde aber gebiert den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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den Schlafenden zu berühren. Dieser versuchte sich umzudrehen, zuckte aber wegen der Schmerzen zusammen. Seine Finger krallten sich in das Kissen, und er murmelte etwas, was sie nicht verstand.
    »Es ist gut, Ihr seid in guten Händen. Schlaft Euch gesund! «, sagte Almut zu ihm und hoffte, er würde sie hören. Er tat es augenscheinlich nicht.
    »Nein!«, fuhr er plötzlich mit so scharfer Stimme auf, dass sie zusammenzuckte. »Nein, ich widerrufe nicht!
    Warum sollte ich? Verbrennt meinetwegen meine Traktate, verbrennt auch mich, aber ich widerrufe nicht!«
    »Ach du großer Gott!«, flüsterte Gero von Bachem. »Und ich sprach von Dämonen!« Er wandte sich an Almut. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich gehe. Werdet Ihr alleine damit fertig? Ich möchte nicht Zeuge dieser Erinnerungen sein. Je weniger Menschen davon wissen, desto besser scheint es mir.«
    »Ja, geht, Herr Gero. Ich bin es gewöhnt, mit Kranken und Fiebernden umzugehen.«
    Leise zog der Ritter die Tür hinter sich zu, und Almut widmete ihre ganze Aufmerksamkeit Pater Ivo, der weitere unverständliche Sätze murmelte. Sorgsam glättete sie die Decken und wischte ihm das heiße Gesicht mit einem feuchten Lappen ab.
    »Ich leugne nicht Gott. Ich klage aber jene an, die mit Gott Geschäfte machen!«, begehrte er plötzlich auf und versuchte sich aufzurichten.
    »Ruhig, bleibt ruhig. Niemand richtet hier über Euch. Legt Euch wieder, ich bitte Euch.«
    Er wehrte sich weiter, und neue rote Flecken bildeten sich auf seinem Rücken.
    »Bitte, Ivo. Bitte, bleibt ruhig!«, flüsterte Almut eindringlich, und er sackte zusammen.
    »Nein, Mutter. Ich kann nicht widerrufen!«, betonte er, und seine Stimme klang todtraurig. Dann blieb er eine Weile still, und Almut dachte schon, er wäre in einen ruhigeren, traumloseren Schlaf hinübergeglitten, doch dann seufzte er plötzlich tief auf. »Euch zuliebe nehme ich das Angebot des Erzbischofs an, Mutter. Doch glaubt Ihr wirklich, eine Zukunft hinter Klostermauern wäre besser für mich als der Tod? Mutter, Ihr verlangt um meines Lebens willen, dass ich alles verleugne,was mir etwas wert ist. Ein Leben in Heuchelei. In Lüge. Um Euch das Schicksal Mariens zu ersparen. Wie Ihr sagt.«
    Unendlich bitter kamen diese letzten Worte, und Almut schauderte es bei diesem Einblick in das Schicksal eines Mannes, für den sie mehr als nur Achtung empfand. Sie löste seine verkrampften Finger sanft aus dem Kissen. Doch einen Trost wusste sie nicht für ihn, darum nahm sie wieder nur seine Hand und hielt sie fest. Und in ihrer Trauer um ihn führte sie stumme Zwiesprache mit Maria, der schmerzensreichen Mutter.
    »So also ist er in diese Mauern geraten, Maria. Mauern, die ihn erdrücken müssen. Er ist ein Freidenker und sogar ein Häretiker, das habe ich schon lange gewusst. Wie sonst hätte er so viel Verständnis für meine Unbotmäßigkeiten aufbringen können. Und doch ist er ein Priester geworden, ein Mittler zwischen Gott und den Menschen und ein Führer der Seele. Seltsam, das macht er trotz allem gut. Zumindest den jungen Leuten gegenüber. Sie vertrauen ihm. Ich tue es auch, Maria, Königin des Himmels. Aber wie bitter muss es ihn ankommen, den strengen mönchischen Regeln zu gehorchen. Seiner Mutter hat er wahrlich das Schicksal erspart, ihn sterben zu sehen. Ist das eine große Tat, Maria? Du standest am Kreuz, an dem dein Sohn, gegeißelt, gemartert, verwundet, langsam starb. Du hast mit ihm gelitten, Maria, um seiner Schmerzen willen. Aber, Maria – seine Mutter müsste nun mit ihm leiden um seiner Seelenpein willen. Ob sie das tut? Ob sie weiß, was sie von ihm gefordert hat? «
    Die Krähe auf dem First ließ einen heiseren Schrei ertönen, ein hässliches Geräusch, eine krächzende Anklage.
    »Doch er lebt, Maria, barmherzige Mutter. Auf ihr Betreiben hin, auf ihre Bitte. Und dafür sollte ich ihr dankbar sein. So selbstsüchtig bin ich.«
    Durch das bleiverglaste Fenster sah Almut zwei graue Tauben flügelschlagend auf dem Fenstersims landen und gurrend eine Zwiesprache beginnen.
    Seine Hand fasste die ihre fester, und ein verwirrter Blick traf sie, wurde etwas klarer und hielt dem ihren stand.
    »Immer noch Ihr, Begine?«
    »Schon wieder, Pater. Bitte seid so gut und trinkt, was Bruder Markus für Euch bereitgestellt hat. Ihr habt böse Träume und seid sehr unruhig.«
    »Böse Träume, ja. Der Mohnsaft wird sie nicht vertreiben. Aber gebt ihn mir dennoch.«
    Vorsichtig half Almut ihm, den kleinen Becher zu

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