Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
haben.“
„ Und dann?“, fragte der Gewitterzauberer.
„ Dann benutze ich sie“, antwortete die Cruda. „Ich benutze sie, um etwas zu bekommen, das noch kein lebendes Geschöpf zuvor bekommen hat.“ Als sie das sagte, blinzelte die böse Cruda in die Richtung des weißen Marmor-Scheusals. „Wenn ich erst mal den Lilienschlüssel habe“, sagte sie verzückt, „wird nichts mehr so sein, wie es mal gewesen ist. Deswegen würde ich an deiner Stelle rechtzeitig dafür sorgen, dass ich mir in der neuen Ordnung ein gutes Plätzchen sichere.“
„ Als könntest du dich an meine Stelle denken“, meinte der Zauberer. „Du warst schon immer anders als wir gewöhnlichen Zauberer. Trotzdem hast du recht. Ich muss mich um meine Zukunft kümmern. Was du mit den Erdenkindern vorhast, ist grausam. Aber nicht grausam genug, als dass ich mich deswegen mit dir anlegen wollte. Was mich bedrückt, ist das Schicksal von Amuylett. Und das der anderen Welten, die du verwüsten wirst. Diese Welt ist meine Heimat und ihr Verlust ist ein sehr hoher Preis.“
Die Cruda schaute dem Zauberer in die Augen, ihr Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Zeigte sie Verständnis für das, was der Gewitterzauberer sagte? Oder blitzte Spott in ihren Augen auf? Mitleid? Hohn?
„ Ich sehe schon“, sagte die böse Cruda. „Du bestätigst all meine Befürchtungen. Ihr wollt alle so viel haben, ihr könnt den Hals nicht voll genug kriegen, ihr kleinen Verbrecher, aber ihr wollt alles umsonst. Hat dir niemand beigebracht, Zauberer, dass es nichts umsonst gibt? Selbst ein Verbrecher muss für seine Beute bezahlen: mit Gefahr, mit Angst, mit Gefängnis vielleicht, womöglich sogar mit seinem Leben. Auf dich kann ich mich nicht verlassen. Einer wie du, der wird im letzten Moment schwach. Um deine Welt machst du dir Sorgen? Das kann ich verstehen. Aber ich kann keine Rücksicht darauf nehmen.“
Mit diesen Worten hob sie ihre Hände und der Zauberer wurde kleiner. Viperia bibberte in ihrem Versteck, trotz der vielen warmen Feuer, die hier brannten. Der Zauberer schrumpfte und schrumpfte und veränderte seine Form. Er wollte sich wehren, hob die Arme und piepste um Hilfe! Doch er konnte nichts tun, er verwandelte sich in einen kleinen Vogel, ob er wollte oder nicht. Zuletzt wurden seine Arme zu grün-gelben Flügelchen. Verdutzt und erschrocken saß er am Boden.
„ Schnapp ihn dir!“, befahl die böse Cruda dem weißen Marmor-Scheusal an der Tür. Jetzt musste Viperia erkennen, dass dieses Geschöpf tatsächlich lebendig war. Das Scheusal sprang auf den Vogel zu, ergriff ihn mit seiner langen Zunge – und schluckte ihn hinunter. Das war das Ende des Gewitterzauberers.
„ Was willst du jetzt machen?“, fragte das Scheusal seine Herrin. „Er sollte dir doch helfen, die Erdenkinder einzufangen.“
„ Mir kam eine bessere Idee“, antwortete sie. „Sie ist riskant, aber es wäre noch riskanter gewesen, die Zauberer einzuweihen. Du hast es ja gehört. Sie jammern, weil ein paar Welten kaputtgehen. Pass auf, mein Schatz: Ich hole die Kinder hierher und überlasse sie ihrem Schicksal. Das ist völlig unauffällig. Niemand kann sie entdecken, niemand meinen Plan erkennen. Sie selbst werden nie auf die Idee kommen, dass sie aus einer anderen Welt stammen. Daher werden sie auch ihre Talente, die sie beim Übergang in diese Welt erhalten, nicht bemerken. Früher oder später landen diese unbegabten Erdlinge in Sumpfloch.“
Das Scheusal lachte.
„ Ich verstehe! Sie werden zur Schule gehen, genau dann, wenn sie reif genug für uns sind. Wir brauchen sie dann nur noch zu holen, aus Sumpfloch.“
„ Genau das werden wir tun. Natürlich müssen wir herausfinden, welche der Sumpfloch-Schüler unsere Erdenkinder sind. Aber das dürfte uns nicht schwer fallen. Hat dir der Zauberer geschmeckt?“
„ Er war ein bisschen klein“, sagte das Scheusal. „Aber er war köstlich!“
Dies war der Augenblick, da Viperia bewusst wurde, in welch großer Gefahr sie schwebte. Sie wartete, bis die böse Cruda mit ihrem Scheusal den Thronsaal verlassen hatte und flatterte dann panisch in der Burg umher, bis sie wieder einen Ausgang ins Freie gefunden hatte.
Der Sturm, der immer noch im Nadelfrostgebirge wütete, ergriff die Fledermaus mit kalten Klauen und schleuderte sie umher. Aber das machte ihr nichts aus. Sie war auf dem Heimweg, sie durfte diesen Ort des Grauens wieder verlassen! Als sie einen Tag später, erschöpft und halb erfroren zu ihrem
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