Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
Richtung und sie schaute kurz zurück, doch beide taten sie so, als hätten sie nicht wirklich geschaut, sondern nur zufällig die Köpfe gedreht.
Die Kinder der anderen Klassen – es gab sechs Jahrgänge in Sumpfloch – schwatzten sehr viel lauter und fröhlicher miteinander, als es die Neuankömmlinge taten. Thuna fand das ermutigend. All diese Schüler waren anscheinend gerne nach Sumpfloch zurückgekehrt, was dafür sprach, dass das Leben hier besser war als sein Ruf.
Maria schob die Suppe weit von sich und knabberte an ihrem Brot, das sich sicher besser zum Erschlagen von Fliegen geeignet hätte als zum Essen.
„ Sagt mal“, begann sie, „gibt es eigentlich berühmte Leute, die in Sumpfloch zur Schule gegangen sind?“
„ Klar“, sagte Scarlett. „Berühmte Giftmischer, Piraten, Schmuggler, Sklaventreiber und Diktatoren. Es ist eine Schule für zukünftige Verbrecher.“
„ Jetzt übertreibst du aber“, widersprach Berry. Berry hatte schon aufgegessen und nun saß sie mit gefalteten Händen am Tisch. Sie war so ordentlich gekämmt, so hübsch angezogen und hatte so gute Manieren, dass sie unter den neuen Schülern auffiel. Sie musste aus besserem Hause stammen, wenn sie auch sicher nicht so reiche Eltern hatte wie Maria. „Natürlich gab es schwarze Schafe, aber die meisten Schüler wurden später ganz normale Leute.“
„ Und weiße Schafe?“, fragte Maria. „Also berühmte weiße Schafe? Gibt es die auch?“
„ Du meinst angesehene Doktoren, Zauberer, Politiker oder Dichter, die in Sumpfloch zur Schule gegangen sind?“, fragte Scarlett.
„ Ja, genau die meine ich!“, rief Maria.
„ Nein“, sagte Scarlett knapp. „So was gibt’s nicht.“
„ Ach was!“, widersprach Berry schon wieder. „Natürlich gibt es ehemalige Schüler aus Sumpfloch, aus denen was geworden ist! Aber die erzählen nicht überall herum, wo sie zur Schule gegangen sind.“
„ Das kann schon sein“, meinte nun auch Thuna. „Mit Sumpfloch kann man nicht angeben. Also sagt man besser nichts.“
Scarlett verzog ihr Gesicht und warf grimmig ihre schwarze Haarmähne hinter sich.
„ Mädchen, ihr habt doch gar keine Ahnung“, erklärte sie. „Wisst ihr denn nicht, dass alle anständigen Leute Angst vor uns und dieser Schule haben? Aus Sumpfloch ist schon so viel Unheil gekommen, dass sie längst Vorkehrungen getroffen haben. Hier wimmelt es vor Spionen!“
„ Spione?“, fragte Lisandra. „Was meinst du damit?“
„ Damit meine ich, dass hier nicht jeder ist, was er vorgibt zu sein“, antwortete Scarlett und es war sicher kein Zufall, dass sie Berry bei diesen Worten mit einem Seitenblick streifte. „Sie beobachten uns: Und wenn jemand auffällt und zu gefährlich ist, dann sorgen sie dafür, dass er verschwindet. Für immer.“
„ So ein Blödsinn!“, rief Berry aus. „Wie kannst du nur solche bescheuerten Geschichten erzählen?“
„ Ach ja? Bescheuert nennst du das?“
Wenn Scarlett sich ärgerte, sah sie zum Fürchten aus. Ihre grünen Augen leuchteten giftig in dem dunklen Gesicht und Berry erschrak so sehr darüber, dass sie lieber schwieg als noch etwas zu sagen. Kurze Zeit später standen die Mädchen auf, um zum Unterricht zu gehen. Vielleicht war es kein Zufall, dass Maria dabei ihre Suppe umwarf und sie über Berrys Kleid schüttete. Maria war untröstlich, doch Scarlett lächelte zufrieden.
Die meisten Klassenzimmer von Sumpfloch befanden sich unter der Erde – dort, wo mal die Gefängnisse gewesen waren. Für Thuna, die Fenster liebte, war das ein Schrecken. Denn da unten konnte es keine Fenster ins Freie geben. Schweren Herzens folgte sie ihren Mitschülern die Steinstufen hinab. Was sie dort unten fand, überraschte sie. Es waren keine gewöhnlichen Fackeln, die hier an den Wänden flackerten. Ihr Licht war so leicht und hell wie Sonnenlicht, nur hatte es einen rosa Schimmer, den Sonnenlicht sonst nicht hat.
Es gab keine Flure zwischen den Räumen, sondern unterirdische Kanäle, auf denen Boote lagen. Die Schüler mussten also in ihre Klassenzimmer rudern. In dem trüben Sumpfwasser, das durch die Kanäle floss, schwammen allerlei Fische, aber auch andere Geschöpfe, die ab und zu ihre bleichen Augen aus dem Wasser steckten und schnell wieder abtauchten, da sie das helle Licht der Fackeln nicht leiden konnten. Moos und kleine Sumpfblumen bedeckten die ehemaligen Kerkerwände. Thunas Klassenzimmer war im Inneren hell gestrichen und sah gemütlich aus. Die Schüler saßen
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