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Die Supermarkt-Lüge

Die Supermarkt-Lüge

Titel: Die Supermarkt-Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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Nehmen Sie ruhig den kürzesten Weg, um Ihren Einkaufszettel abzuarbeiten.
Woher die Namen unserer Lebensmittel kommen
    Die Konkurrenz unter den Produkten im Supermarkt­regal ist groß. Den Weg in Herz und Einkaufswagen der Käufer finden sie über ihr Aussehen und über ihren Namen. Haben wir das nach Kräften zurechtgemachte Bild auf der Packung erst einmal ins Auge gefasst, ist es an dem Produktnamen, unsere Aufmerksamkeit weiter zu fesseln. Dazu gibt es mehrere Methoden. Die erste liegt auf der Hand, sie lautet: möglichst stark auffallen. Manfred Gotta ist einer von Deutschlands »Namenspäpsten«, seine Profession ist es, wohlklingende, einprägsame und passende Namen für neue Produkte zu (er)finden. Für Wortschöpfungen wie Kelts (Bier), Casa Capresi (Käse), Amaroy (Kaffee) oder Yello (Sekt), berechnet er sechsstellige Summen. Gotta ist nicht festgelegt auf eine Produktgruppe, er tauft Autos (Cayenne, Smart, Twingo) genauso wie die frühere Ruhrkohle (heute Evonik) oder auch Hundesnacks (Dogstix). Das mag einfach klingen, ist es aber nicht, im Gegenteil. Schließlich gibt es bei so einer Namensfindung einiges zu beachten. Der Name muss knackig klingen, vom Publikum akzeptiert – besser noch: geliebt – werden und darf auch in andere Sprachen übersetzt keinen Doppelsinn entfalten. Schließlich sollen die meisten Produkte ja mindestens europaweit vertrieben werden. Gerade im Automobilbereich gibt es da abschreckende Beispiele: So heißt Vento auf Italienisch nicht nur Wind, sondern auch Furz, Pajero ist ein spanischer Vulgärausdruck, der in etwa unserem »Wichser« entspricht.
    Auch die Lebensmittelbranche kennt solche »Unfälle«. In Frankreich gibt es eine ganze ­Linie von Diätprodukten, die unter dem Markennamen Kot vertrieben werden. Für den Franzosen ist das eine neue Wortschöpfung, fröhlich speckt er nach der Kot-Methode ab. Da gibt es Kot-Crêpes, Kot-Eiscreme und Kot-Pizza. Suppen kommen aus dem Kot-Säckchen. Auch einem mit wenig Phantasie gesegneten deutschen Verbraucher würde beim Anblick des braunen Müsliriegels der Firma wohl der ­Appetit vergehen. Das Be­streben, mit neuen Wortschöpfungen möglichst stark aufzufallen und auf diesem Wege im Einkaufswagen zu landen, ist manchmal also eine ­etwas riskante Strategie.
    Doch es gibt andere Methoden, um dem Konsumenten die Produkte schmackhaft zu machen. Beliebt ist zum Beispiel, sein Gewissen einzulullen und ihm mit schönen Namen ein heiles Landleben vorzugaukeln. Da kommen Fleisch oder Würste dann von einem Buchen- oder Lindenhof, der gern als stilisiertes Fachwerkhaus auf der ­Packung prangt. Vorn trollt ein glückliches Schweinchen, hinten grast friedlich eine Kuh. Die Bauernhöfe gibt es in Wahrheit natürlich nicht, es sind lediglich Handelsnamen und das Fleisch stammt aus wesentlich weniger idyllischer Massentierhaltung – doch mit Bildern von überzüchteten Schweinen, die im Dunkeln auf Spalt­boden vor ihrem Futterbrei stehen, lassen sich eben keine Schnitzel verkaufen.
    Besonders hinterhältig: Man nehme den Namen eines eingeführten, traditionellen Lebensmittels und pappe ihn auf ein Produkt, dessen Fabrikation mit der ursprünglichen Herstellungsweise nicht mehr viel zu tun hat. Beispielsweise Camembert. Das war früher mal ein Rohmilchkäse aus der Normandie mit blumig-milchigem Aroma. Heute wird unter diesem Name ein Kunstkäse verkauft, der überall auf der Welt hergestellt worden sein kann. Und wer würde in einer Dose »echter Wildlachs« schon pazifischen Buckellachs der Gattung Oncorhynchus gorbuscha vermuten? Das ist zwar auch eine Lachsart, doch die ist mickriger als der Salmo salar , der früher in Europa als Wildlachs verkauft wurde. Auch geschmacklich sind die beiden Lachsarten nicht miteinander vergleichbar, der Oncorhynchus ist ein günstiges Ersatzprodukt, das sich mit einem teuren Namen schmückt.
    Die systematische Aushöhlung vertrauter Namen ist eine Vermarktungsstrategie. Schließlich vertraut der Kunde gerade hier, anders als bei Yello, Flutschfinger oder Casa Capresi darauf, ein Lebensmittel zu erhalten, das sich an die europäische Tradition zumindest anlehnt.
    Unter dem Namen eines Produktes folgen oft Ergänzungen wie: »ohne Zusatzstoffe«, »mit wertvollen Vitaminen«, »ohne Geschmacksverstärker«, »ohne Konservierungs­stoffe«,

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