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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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auch Kerris glaubte das nicht. Einen Augenblick lang schwoll in ihm der Drang an, genau zu wissen, sicher zu sein ... fast willenlos tastete sein Hirn in das dunkle Haus hinaus und versuchte die Gedanken seines Bruders zu berühren ...
    ... und wurde von einer lückenlosen Gedankenbarriere abgehalten. Ein Gedanke drang durch sie hindurch, eine klare, unwiderstehliche Warnung. Sein Kopf hämmerte. Er zog sich zurück. Der Kontakt, die Warnung waren nicht von Kel gekommen. Seine Haut prickelte, er erinnerte sich an die Intensität in Sefers Augen bei ihrer ersten Begegnung. Sefer weiß es, dachte er. Und er haßte Sefer wegen dieser sicheren Kenntnis.
    »Wirst du es ihm sagen?« fragte er.
    Elli blies die letzte Lampe aus. Sie befeuchtete die Finger und drückte den Docht zusammen. »Nur, wenn du das willst.«
    »Ich habe gedacht, in einem chearas gibt es keine Geheimnisse«, sagte er.
    »Ich kann stumm sein«, antwortete sie. Ihre Stimme klang ruhig und höflich. Er dachte an das, was sie ihm angeboten hatte, und er schämte sich.
    »Es tut mir leid«, sagte er.
    Sie nickte. Dann saßen sie schweigend da. Der Mondschein glomm heller im Fenster. Nachtgeräusche erfüllten den Raum: Vögel, Grillen, das Belfern eines Fuchses. In der Kammer über Kerris' Kopf knarrte ein Bodenbrett. Seine wunden Nerven zuckten zusammen. Er sagte leise: »Er würde mich nicht haben wollen.« Dann aber dachte er an das, was Elli gesagt hatte: Kel hat dich gern ...
    Elli stand auf. Mit einer raschen Bewegung zog sie sich die goldbraune Samtrobe über den Kopf. »Vielleicht irrst du dich«, sagte sie leise, während sie unter die Decke glitt. »Aber es gibt eine Möglichkeit, das herauszufinden. Frage ihn!«
    »Ich kann nicht!«
    »Warte damit nicht zu lange«, sagte sie, als habe er nicht gesprochen. »Wenn er es jetzt noch nicht weiß, so wird er doch bald Bescheid wissen. Dein Gesicht wird es ihm verraten.« In der Kühle des Raumes verflochten sich ihre Finger warm einen Augenblick lang mit den seinigen. »Er ist ein Musterzauberer, vergiß das nicht, und er ist ein cheari!«
    »Ich weiß, was er ist«, sagte Kerris. Sie zog ihre Hand aus der seinen und rollte sich auf den Bauch. Das Licht des heraufsteigenden Mondes lag sanft auf ihrer Wange. Sie murmelte etwas, aber er konnte die Worte nicht verstehen.
    Über der Fensterbank schwamm die weiße Mondsichel herauf. Kerris rückte aus ihrem Schein in den Schatten. »Was sagst du?«
    Elli hob den Kopf vom Kissen. Sie wiederholte ihre Worte. »Er ist nicht blind. Und er weiß auch, was und wie du bist.«

7. Kapitel
     
    Als Kerris am nächsten Morgen erwachte, waren die Chearis durch das ganze dämmerige Zimmer verstreut. Die Decken lagen zerknüllt über ihnen, sie schliefen alle noch. Die schrillen Triller der Vögel hatten ihn geweckt. Sie waren so ganz anders als das morgendliche Gebuhle der Tauben auf Tornor Keep. Er zog sich die Tunika und die Hosen an und trat hinaus in den Garten. Dichter Tau hing auf den Gräsern, streifte eiskalt seine Füße, die noch bloß waren. Er rieb sich die Augen und schaute dem roten Vogel zu, der im anschwellenden Morgenlicht der Sonne aufflog und davonschoß.
    Bald würden die anderen aufstehen. Kel würde kommen und ihn ins Haus seines Onkels bringen. Wieder fragte er sich, ob dieser, seiner Mutter Bruder, irgendwie so wie Morven sein würde. Er ging ins Zimmer zurück und zog sich die Stiefel an. In einem plötzlichen Entschluß ließ er den Dolch und die Scheide, die Josen ihm geschenkt hatte, neben seinem Lager liegen. Er hatte keine Verwendung für sie. Er war sich nicht ganz darüber im klaren, was er da tat. Er wollte seinem Bruder nicht begegnen – und nicht Sefer –, nicht bevor er Zeit gefunden hatte, seine Gedanken zu klären ... Noch immer war er benommen und ein wenig zitterig von dem, was Elli zu ihm gesagt hatte.
    Er trat auf die Straße, ohne einen Blick auf das obere Fenster des Hauses zu werfen. Er ist nicht blind, sagte Elli in seiner Erinnerung. Er weiß, was und wie du bist. Er rieb sich die Hand über das Gesicht und spürte die Bartstoppeln. Bald würde er sich rasieren müssen. Was bin ich denn dann? fragte er sich. Ich bin ein Schreiber, ich bin ein Krüppel, ich bin ein Hexer ... Ein Vogel flog über seinen Kopf hinweg. Diesmal war es ein blauer Vogel mit schwarzen Streifen quer über die Flügel. Kerris kam am Waffenhof vorbei. Die Spitze des Wächters schimmerte im Sonnenlicht, das heraufstieg. Er kam an einen Brunnen, ging

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