Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
liegt übrigens, und damit mal Spaß beiseite, der große Reiz der Gartenarbeit:
Es ist vergleichsweise einfach, seinen Garten in den Griff zu bekommen, wenigstens wenn man den Garten mal mit Politik, Wirtschaft oder dem restlichen Leben vergleicht.
Ich will nur kurz erwähnen, dass sich in Ashbys Film nicht mehr verbirgt als die Parodie von Verhältnissen, die wir einst tatsächlich hatten. André Le Nôtre wurde mit 22 Jahren zum Ersten Gärtner von Gaston d’Orleans, dem Bruder Ludwig XIV. Zehn Jahre darauf trat er das Amt des Königlichen Gärtners in Versailles an. Le Nôtre erfand praktisch den Barockgarten. Dafür wurde er geadelt und auf Italienreise geschickt. Er traf Papst Innozenz IX. und sagte zu ihm: »Der Tod birgt mir keinen Schrecken mehr, da ich es in meinem Leben dahin gebracht habe, die beiden vortrefflichsten Männer der Welt zu treffen, Eure Heiligkeit und den König, meinen Herren.«
Die bittere Wahrheit ist nun aber, dass der Gärtner zumeist weder als Mörder noch als Philosoph auftritt – sondern meistens einfach nur als Spießer. Das fängt schon bei Goethe an und geht so weiter bis Tomi Ungerer. Werther sinniert über die Kraft der Natur und die Ordnung der Menschen und ruft aus:
»O meine Freunde! warum der Strom des Genies so selten ausbricht, so selten in hohen Fluten hereinbraust und eure staunende Seele erschüttert? – Liebe Freunde, da wohnen die gelassenen Herren auf beiden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhäuschen, Tulpenbeete und Krautfelder zu Grunde gehen würden, die daher in Zeiten mit Dämmen und Ableiten der künftig drohenden Gefahr abzuwehren wissen.«
Das ganze Projekt der Entwässerung, mit dem man in den deutschen Landen seinerzeit der Natur und ihrer zerstörerischen Wirkung Herr werden wollte, konnte Goethe schon als Entkräftung erscheinen. Und die Verantwortlichen, das sind die Männer mit den Gartenhäuschen und den Tulpenbeeten und ihrer ganzen armseligen Sucht nach Ordnung.
»Das bestärkte mich in meinem Vorsatze, mich künftig allein an die Natur zu halten. Sie allein ist unendlich reich, und sie allein bildet den großen Künstler. Man kann zum Vorteile der Regeln viel sagen, ohngefähr was man zum Lobe der bürgerlichen Gesellschaft sagen kann. Ein Mensch, der sich nach ihnen bildet, wird nie etwas abgeschmacktes und schlechtes hervorbringen, wie einer, der sich durch Gesetze und Wohlstand modeln läßt, nie ein unerträglicher Nachbar, nie ein merkwürdiger Bösewicht werden kann; dagegen wird aber auch alle Regel, man rede was man wolle, das wahre Gefühl von Natur und den wahren Ausdruck derselben zerstören!«
Da haben Sie also den Konflikt zwischen Natur und Ordnung einmal exemplarisch dargestellt. Und die etwas unwürdige Position, die der Gärtner da einzunehmen scheint. Er stemmt sich mit Macht gegen die Urwüchsigkeit des Natürlichen. Und wenn es sein muss, mit Gewalt gegen jede Bedrohung der selbstgewählten Ordnung, von wo immer sie auch ausgehen mag. Monsieur Racine etwa, Tomi Ungerers freundlicher pensionierter und mit allen Insignien des petit bonhomme ausgestatteter Steuereinnehmer. Er kümmert sich um seine Rosen und züchtet die herrlichsten Birnen weit und breit – aber als die ihm eines Tages gestohlen werden, wehrt er sich in einer Art und Weise, die für die Verhältnisse eines pensionierten Steuereinnehmers einem Amoklauf nahekommen: Er holt Degen und Kürass aus dem Fundus der Erinnerung lange vergangener Schlachten hervor und legt sich im eigenen Garten auf die Lauer, bereit zum Partisanenkampf um Recht und Gesetz am Jägerzaun. Wie Sie sicherlich wissen, trifft er dann auf das Biest, das dem Buch den Namen gegeben hat und das großes Aufsehen erregt bis zu dem Augenblick, da es sich als Haufen alter Lumpen und Socken entpuppt, aus dem zwei Kinder hervorspringen. Aber in Wahrheit ist das gar kein Spaß. Sie ahnen nicht, wie oft in Deutschland ein Nachbar den anderen erschießt. Meistens geht es um Lärmbelästigung. Fairerweise muss man sagen, dass solche Geschichten fast immer einen jahrelangen Vorlauf haben. Es ist nicht so, dass ein Kleingärtner nur einmal die Musik zu laut aufdreht und gleich kommt der Nachbar und schießt ihn nieder. Obwohl auch das vorkommt. Meist gehen Nachbarn übrigens nicht mit Handfeuerwaffen aufeinander los, sondern mit dem, was man so im Schuppen liegen hat: Kettensägen, Motorsensen, Beile, Knüppel – wir haben das Thema der gärtnerischen Bewaffnung ja
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