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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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oben rausgucken würde. Mitten im Garten. Das wäre mehr als unangenehm. Die Kinder würden Fragen stellen. Und die Nachbarn auch. Und man würde immerzu stolpern.
    Konzentrieren wir uns lieber auf den Teich. Also, 1,85 Meter Tiefe, in drei Terrassen. Den Rand werde ich mit Tellima grandiflora bepflanzen, der falschen Alraunenwurzel. Schon wegen des Namens. Es kommt ja bei den Pflanzen nicht nur auf das Aussehen an. Sondern auch auf den Klang.
     
    T ellima ist eine schöne Schattenstaude, die man vor allem wegen ihres dichten Wuchses und ihrer wohlgeformten reichen Blätter setzt. Sie blüht auf einer langen, kräftigen Dolde, die über und über mit zarten, weißrosafarbenen Blüten besetzt ist, die sich zum Schnitt sehr gut eignet. Neben T ellima steht Brunnera sehr schön, eine andere unverzichtbare Schattenpflanze. Das Kaukasusvergissmeinnicht blüht herrlich blau und frisch. An den Teich gehören natürlich auch die Astilben, von denen man in allen Farben und Varianten gar nicht genug im Garten haben kann. Ich habe allerdings bei mir die Erfahrung gemacht, dass sie nicht alle gleich zuverlässig gedeihen und anspruchsvoller sind, als ihr Ruf vermuten lässt. Heikle Pflanzen.
    In der Flachwasserzone werde ich Typha angustifolia setzen, den schmalblättrigen Rohrkolben, und Phragmites australis, das übliche Schilfrohr. Schon wegen des Säuselns im Wind, das sich, so hoffe ich, auch auf kleinen Flächen einstellen wird.
    Die tiefen Zonen aber, jene im Dunklen, an die der Frost nicht heranreichen wird, in die sich die Fische im Winter flüchten werden – wenn Fische hier überhaupt Einzug halten sollen, das wird noch geprüft und diskutiert –, werden der Weißen Seerose vorbehalten sein, der Nymphaea alba. Ihre Blüten gehören zum Schönsten, was der Garten hervorbringen kann. Was eine eigenartige Fügung ist, da Seerosen in gewisser Weise den Rahmen des Gartens verlassen, über ihn hinausweisen und darum von anderer Art sind.
    Sie sehen aus wie wunderbar ebenmäßig geformte weiße Sterne, die in der Mitte hellgelb oder orange leuchten und deren strahlende Farben einen unwiderstehlichen Kontrast mit dem dunkel glänzenden Grün ihrer auf der Wasseroberfläche ausgebreiteten Blätter ergeben und mit dem Schwarz des Wassers selbst. Das Düster-Waldige der Seerose klingt in ihrem Namen wider, der von jenen schönen, jungen und meistens splitternackten Mädchen herrührt, die Wiesen, Grotten und Berge bewachen, aber vor allem die Hüterinnen der Wälder, Seen, Bäche und Quellen sind. Man muss sie sich nicht als regelrecht bösartig vorstellen. Aber doch als unheimlich, unnahbar und nicht zu kontrollieren. Die Nymphen suchen sich ihre Liebespartner unter den Männern selbst.
    Als ich ein Kind war, wurde es uns streng verboten, zwischen den Seerosen zu schwimmen. Falls man in irgendeinem schleswig-holsteinischen See auf welche traf. Ihre gewundenen Stengel reichen bis tief hinab zum Grund und sind so fest, dass niemand sie zerreißen kann. Man verfängt sich darin und gleitet hinab in die Tiefe. Das war die Geschichte damals.
     
     

 
Frühling
     

 
     
     
     
    As long as the roots are not severed, all is well.
    And all will be well in the garden. CHANCE THE GARDENER
     
    Liebe Freunde, da wohnen die gelassenen Herren
    auf beiden Seiten des Ufers, denen ihre Gartenhäuschen,
    Tulpenbeete und Krautfelder zu Grunde gehen würden.
    Goethe, WERTHER
     
Gärtner
     
    Es ist wunderbar. Draußen tanzen Insekten in einem Sonnenstrahl auf und ab. Das Licht hat seinen Weg zwischen den Häusern und Büschen hindurch gefunden. Und die Insekten haben sich in ihm gefangen. Am Schreibtisch sitzend stellt der Gärtner fest, dass die Insekten diesen Lichtstrahl, der vielleicht der erste ist, der im neuen Frühling seinen Weg in den Garten gefunden hat, von oben bis unten hinunter und hinauf trudeln und taumeln und tanzen. Wenn das möglich ist, bedeutet es: das Warten hat ein Ende. Die Unruhe. Das kräftezehrende Ausharren. Gott, was hat der Winter lange gedauert! Zuerst geht der Frost. Dann kommt das Licht. Und bald auch die Wärme. Also, der Frühling ist da. Zeit, die Bücher wegzulegen, das Träumen einzustellen und die Arbeit aufzunehmen. Klopfen wir uns die Schwermut aus den Kleidern. Zugegeben, vom Schreibtisch aus betrachtet, macht der Garten noch nicht viel her. Aber laufen Sie mal raus und atmen Sie tief ein. Jetzt hat die Luft wieder Geruch und Geschmack. Ein erheblicher Nachteil des Winters ist seine relative

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