Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
bekommen ist. Mögen konservative Kapitalismuskritiker der familienbetriebenen Gartenhandlung hinterhertrauern, in der eine unzufriedene Mittfünfzigerin mit schlechtem Gehör und schwarzen Fingernägeln im Ton des Vorwurfs deutlich macht, dass die Frage nach einem bestimmten Produkt nicht nur sinnlos, sondern in Wahrheit eine Beleidigung ist. Wir Gärtner wollen die Ware, die gefüllten Regale, das unübersehbare Angebot.
Es ist für mich die reine Freude, mit einem ladebereiten Trolley durch die langen Gänge zu patrouillieren. Und damit bin ich nicht allein. Der Gartenmarkt erweist sich als einigermaßen resistent gegen die Wirtschaftskrise. »Niemand spart bei den Stiefmütterchen«, wurde unlängst der zeituntypisch zuversichtliche Sprecher einer großen Ladenkette in der Zeitung zitiert. Im Gegenteil: Je rauher das Klima in Wirtschaft und Gesellschaft, so die optimistische Konsumsoziologie aus Gartencentersicht, desto gemütlicher wolle es der Deutsche im Garten und auf dem Balkon haben.
Ehrlich gesagt: Hier geht es nicht so sehr um die Pflanzen. Ein paar englische Rosen, die üblichen Stauden – grundsätzliche Funkien, Geranium, Bodendecker und Farne – an Gehölzen kleinere Rhododendren und Azaleen, sinnlose Öl- und Lorbeerbäume in Kübeln –, das ist alles schön und gut, wird aber den halbwegs kundigen Amateur zumeist nicht überzeugen. Die Auswahl ist zu klein, die Qualität oft unzureichend, und ein niedriger Preis allein rechtfertigt keinen Kauf. Pflanzen sollen im Garten sein wie gute Gefährten, und die sucht man sich auch nicht nach den Kosten aus.
Nein, es geht um all das, was die moderne Konsumgüterindustrie fürs gärtnerische Hobby bereithält: Schläuche und Schellen, Harken und Hacken, Dünger für Tannen und Tomaten, Erde für Grünpflanzen und Gräber und natürlich Gifte für alles, was kriecht und fliegt und wächst, in allen Schweregraden und Darreichungsformen, fest und flüssig, als Tropfen oder Pulver. Manches wird aus dem verschlossenen Schrank unter der Maßgabe verkauft, dass die Anwendung in diesem Bundesland verboten sei. Da muss man treuherzig gucken und zustimmend nicken. Dann geht das schon. Gift ist nämlich gut für Ihren Garten! Je mehr, desto besser. Rosen, die von Mehltau befallen sind, Rasen, in dem sich Gänseblümchen breitmachen, Kirschbäume voller Läuse: Wenn Sie über viel Zeit, Leidensfähigkeit oder Autosuggestionskraft verfügen, setzen Sie gerne auf ökologische Schädlingsbekämpfung, versuchen Sie Marienkäfer in Ihrem Garten anzusiedeln und reden Sie sich ein, dass ein von Unkraut durchsetzter Rasen eine natürliche Schönheit ausstrahlt. Ich verlasse mich lieber auf die Giftspritze. Wir hatten das ja schon: Ein Garten ist kein natürlicher Ort, sondern ein künstlicher. Er ist Produkt menschlicher Arbeit, nicht natürlicher Fügung. Das macht ihn interessant.
Die Natur mag idyllisch sein. Aber nicht auf kleinem Raum. Eine Idylle auf 200 Quadratmetern ist nur auf Kosten der Natur herstellbar und im Kampf gegen sie.
Vor allem aber verfügt der Gartenmarkt meiner Wahl über einige größere Teiche. Sie können zwar für meinen keine Vorbilder sein, weil sie zu lieblos und nüchtern zwischen ein paar Gehwegplatten aus Waschbeton liegen, die in eine unkrautunterdrückende Schicht aus Rindenmulch gebettet wurden, und weil die schwarze Teichfolie lustlos über die Ränder lappt. Die Teiche machen also im Ganzen einen ziemlich verwahrlosten Eindruck. Aber es gibt da Frösche. Und die will ich auch.
Dafür muss allerdings erst einmal der Teich fertiggestellt sein. Und das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Was soll ich sagen? Es gibt diese Gärtnerfirma, mit der ich seit Jahren zusammenarbeite. Es muss ein Weg angelegt werden? Ich rede mit den Leuten, sie kommen und machen ihre Sache gut. Es muss der Hang zur Straße terrassiert werden? Von dieser Arbeit verstehen die Männer etwas. Sie legen die großen Granitsteine ohne Mörtel als Natursteinmauer, die Zwischenräume verfüllen sie mit Kies. Das Ganze hält und kommt auch bei den starken Regenfällen nicht ins Rutschen, die wir hier mehr und mehr erleben. Wenn es um die Pflanzen geht, sieht es schon anders aus. Das habe ich inzwischen erfahren. Und mich damit abgefunden. Sie setzen den Rhododendron in den Sand. Buchstäblich. Sie pflanzen die Eberesche in einen Haufen Schutt. Das ist bedauerlich. Es sind Gärtner, die von Pflanzen nicht viel verstehen. Aber vom Bauen. Gut. In
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