Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Geruchslosigkeit. Kommen Sie mir nicht mit dem leisen Geschmack von Schnee oder mit dem grünlich riechenden Ozon. Ich meine den Geruch der aufbrechenden Erde, den man geradezu essen kann.
     
    Gehen Sie mal zu Ihren Beeten, knien Sie sich hin, beugen Sie sich zum Boden hinab und stecken Sie Ihre Hände in die weiche Krume. Leben!
     
    Jetzt, da der Frühling zurück ist, werden die Tage länger und der Garten wird wieder größer. Im Winter, das war eine Beobachtung, die mir erst jetzt, nach einigen Jahren, aufgegangen ist, wird der Garten klein. Man guckt so über alles hinweg, der ganze Raum liegt nackt und brach da. Wo sich im Frühling die Blumen drängen und im Sommer die Stauden, ist im Winter einfach nur ungenutzte Leere, Nichts, Luft. Das Nächstliegende rückt heran, die Zäune, die Häuser der Nachbarn. Und damit die Nachbarn selbst. Das ist bedauerlich. Der Gärtner teilt seinen Garten schon nicht so gern mit Tieren. Und gar nicht gern mit Menschen. Aber erst recht nicht mit Nachbarn. Nachbarn sind eine besondere Ausprägung des Menschen. Und ganz gleich, was man sonst von ihnen halten mag, es ist nicht gut, wenn sie zu nahe heranrücken. So wie im Winter. Einziger Trost: Der Winter hält die Nachbarn in ihren Häusern wie dich selbst. Allerdings legt er den Blick in ihre Fenster frei. Auch nicht schön.
    Am Schreibtisch sitzend, in das frostige Grün hinausblickend, das den Garten noch umhüllt, sehe ich drüben die schwarzen Fenster und frage mich: Was machen die da? Denken Sie an den Film ARLINGTON ROAD , wo Jeff Bridges erst in dem Moment, da er in die Luft gesprengt wird, wirklich erkennt, dass sein freundlicher Nachbar in Wahrheit ein bombenlegender Terrorist ist. Oder denken Sie an ROSEMARIES BABY , wo die liebenswürdigen älteren Nachbarn sich als mörderische Teufelsanbeter herausstellen.
    Vermutlich wird es aber so schlimm nicht sein, hier, in der mich umgebenden Suburbanität. Die Risiken des Voyeurismus sind andere: Ich kenne die Leute. Mal angenommen, ich würde mit einem Fernglas nachts aufs Dach steigen und observieren – es wäre mir geradezu unangenehm, Informationen über diese Menschen zu erhalten, die ich von da an immer mit mir herumtragen würde. Immer. Ich würde die ja nicht mehr los. Bilder können ungeheuer einprägsam sein. Jedesmal, wenn ich meine Nachbarn auf der Straße träfe, kämen mir dann die Bilder in den Sinn, die ich im Fernglas gesehen hätte. Männer, Frauen, alte Leute in völlig unvorhersehbaren Situationen. Alles ist ja denkbar! Das wäre die Sache nicht wert. Vergessen wir das. Gehen Sie lieber raus und stecken Sie die Hände in die Erde. Sie können Ihren Zwiebeln beim Wachsen zusehen.
    Die Narzissen sind schon unterwegs, die Krokusse natürlich, das Muscari auch und die spätblühende Scilla. Und Chionodoxa, die Sternhyazinthen, die auch den schönen Namen Schneestolz tragen, bezaubernde kleine blassblaue Blumen mit einem entzückenden hellgelben Auge. Aber das ist ein Vorgriff, Hoffnung auf Kommendes. Im Moment zeigen die alle nur die Spitzen, mehr nicht.
    Bis der Garten so richtig in Gang kommt, dauert es ja eine Weile. In Wahrheit gibt es am Ende des Winters noch gar nicht so furchtbar viel zu tun. Nur der Rasen, der braucht vermutlich Ihre ganze Aufmerksamkeit. Bei mir sieht er scheußlich aus. Kälte, Feuchtigkeit und der lange liegende Schnee haben ihm zugesetzt. Bearbeiten Sie ihn jetzt ordentlich mit der Harke. Sanden Sie, wo nötig, sparen Sie nicht mit Dünger und mit Moosvernichter. Vielleicht müssen Sie neu ansäen. Kümmern Sie sich jetzt darum. Wenn Sie es versäumen, den Rasen in Form zu bringen, bevor der Frühling richtig um sich greift, werden Sie sich die ganze Zeit schrecklich ärgern.
    Und sagen Sie um Gottes willen den Kindern, dass das Betreten des Rasens nicht erlaubt ist und dass die Beete zu keiner Zeit im Jahr so empfindlich sind wie jetzt, da die Zwiebelpflanzen und die Funkien ihre scheuen Köpfe aus dem Erdreich stecken. Ein falscher Tritt und es wächst da in diesem Jahr nichts Gescheites mehr. Darum mein Rat: Man kann wunderbar auf der Straße spielen. Und für weite Schüsse mit dem Fußball ist gerade die Straßenmitte der geeignete Ort.
    Bevor der Gärtner in diesem Jahr richtig in Aktion tritt, sollten wir die Gelegenheit nutzen, uns ein bisschen mit ihm selbst zu befassen. Es kann in so einem Gartenbuch ja nicht nur um die Pflanzen gehen. Auch um den Menschen muss es gehen. Um den Menschen in seiner besonderen Form als

Weitere Kostenlose Bücher