Die Tage des Zweifels: Commissario Montalbano träumt von der Liebe (German Edition)
Giovannini arrangieren.«
Sie schwieg eine Weile.
»Wenn du dabei ein ungutes Gefühl hast …«, begann Montalbano.
»Nein, nein, ich kann es gern versuchen. Aber bist du sicher, dass die von der Yacht nicht wissen, wer er ist?«
»Ganz sicher.«
»Dann bleibt noch die Frage, wie ich den Kontakt herstelle. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Ich müsste ihn mit auf die Yacht nehmen, bräuchte aber erst mal selber eine gute Ausrede, warum ich da aufkreuze.«
»Du könntest ihn als jemanden vorstellen, der für irgendetwas zuständig ist und an Bord etwas überprüfen muss.«
Laura fing an zu lachen.
»Das ist wirklich ein sehr hilfreicher Vorschlag!«
»Entschuldige, aber ich bin im Moment nicht …«
»Ich denk darüber nach, mir fällt schon was ein.«
Sie schenkte sich ein drittes Glas ein. Montalbano fühlte sich genötigt, etwas zu sagen.
»Ist das nicht ein bisschen viel auf leeren Magen? Möchtest du vielleicht etwas essen?«
»Gern«, antwortete sie.
Und gleich darauf:
»Nein. Ich gehe.«
Sie stand auf.
»Komm schon«, sagte Montalbano.
Sie setzte sich wieder. Stand wieder auf.
»Ich gehe.«
»Bitte!«
Sie setzte sich wieder.
Wie eine an unsichtbaren Fäden gezogene Marionette.
In der Küche warf Montalbano einen Blick in den Backofen. In einer Auflaufform lagen vier große Meerbarben in einer Spezialsoße von Adelina.
Er schaltete den Ofen ein.
Dann stellte er eine neue Flasche Wein in den Kühlschrank und holte einen Teller Oliven, Käse und Anchovis in Meersalz heraus. Er nahm eine Tischdecke, Servietten und Besteck aus einer Schublade und legte alles bereit, um draußen auf der Veranda den Tisch zu decken.
Jetzt musste er aufpassen, dass die Meerbarben nicht anbrannten. Er wollte sich gerade bücken, um die Auflaufform herauszunehmen, da spürte er, wie sich Lauras Körper gegen seinen Rücken presste. Wortlos schlang sie die Arme um seine Brust.
Er erstarrte in der Bewegung. Sein Herz schlug immer schneller, und das Blut rauschte durch seine Adern.
Die Auflaufform verbrannte ihm die Finger, aber er spürte keinen Schmerz.
»Entschuldige«, hörte er Laura sagen.
Als sie sich im nächsten Moment von ihm löste, streiften ihre Hände wie in einer zärtlichen Liebkosung über seinen Körper.
Er hörte, wie sie die Küche verließ.
Verwirrt und benommen stellte er die Auflaufform auf den Tisch, hielt seine verbrannten Finger unter den Wasserhahn, nahm Tischdecke und Besteck und ging zur Veranda.
Auf der Schwelle blieb er stehen.
Noch fünf, sechs Schritte, dann wäre er draußen, wo ihn vielleicht das Glück erwartete.
Aber er fürchtete sich, denn diese paar Meter waren ein größerer Sprung als die Überquerung des Atlantiks. Sie waren ein Bruch mit seinem ganzen bisherigen Leben. Ob er in seinem Alter noch in der Lage war, das zu verkraften?
Nein, für Fragen blieb jetzt keine Zeit. Schluss mit allen Zweifeln, Schluss mit dem schlechten Gewissen, Schluss mit der Vernunft.
Er schloss die Augen, als würde er in einen Abgrund springen, und ging weiter.
Doch Laura war nicht mehr auf der Veranda.
Im selben Moment hörte er das Geräusch eines startenden Motors.
Laura war genauso unvermittelt verschwunden, wie sie aufgetaucht war.
Er ließ sich auf die Bank sinken.
Der Kloß in seinem Hals schnürte ihm fast die Luft ab.
Im Bett wälzte er sich unruhig hin und her, döste kurz weg, war aber sofort wieder hellwach. Erst gegen vier Uhr morgens fand er Schlaf. Ein Sprichwort sagt: Das Bett ist eine gute Sach’, wer nicht drin schläft, der ruht gemach. Für ihn war in dieser Nacht das Bett weder eine Schlaf- noch eine Ruhestätte, sondern ein einziger Albtraum. Sein Herz war schwer vor Wehmut, dann wieder zerfloss er in Selbstmitleid. Gelegenheit kommt nicht alle Tage, sagt ein anderes Sprichwort. In seinem Fall würde sie nie mehr wiederkommen. Die Verse Umberto Sabas kamen ihm in den Sinn. Gewöhnlich halfen ihm Gedichte über düstere Stunden hinweg, doch diesmal war es, als streuten sie Salz in seine Wunde. Der Dichter beschreibt einen Hund, der dem Schatten eines Schmetterlings nachjagt, so wie er selbst sich mit einem Schatten begnügen muss, dem Schatten der Frau, in die er verliebt ist. Er wusste – trostlose Traurigkeit –, dass es Weisheit war. Aber war es richtig, war es aufrichtig, vernünftig zu sein angesichts des großen Geschenks der Liebe?
Eine Stunde, nachdem er endlich die Augen geschlossen hatte, war er schon wieder wach. Für einen kurzen
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