Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
zwiespältig war. Ihm gefiel etliches an der Türkei nicht, sie jedoch zurückzustoßen, schien ihm gefährlich. Wenn das Land in denselben rigiden Islamismus verfiel wie ein Teil der arabischen Staaten, würde ein Krisenherd im Südosten Europas entstehen, der die Lunte auch an dem Pulverfass Balkan entzünden würde. Dort bekämpften sich die verschiedenen Volksgruppen mehr denn je bis aufs Messer, und wenn die muslimischen Kämpfer, die davon träumten, ihre Glaubensbrüder in Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kosovo und Montenegro zu »befreien«, durch eine gleichgesinnte Türkei Unterstützung erhielten, würde dort die Hölle ausbrechen.
Politik war ein übles Geschäft, sagte sich Torsten. Als Geheimdienstler musste er sich zwar auch die Hände schmutzig machen, doch er tat im Gegensatz zu den Politikern nicht so, als wäre er die Lauterkeit in Person. Er fragte sich, wie viele Männer in einflussreichen Positionen mit Kardinal Winter und dessen Söhnen des Hammers im Bunde sein mochten. Wenige waren es nicht, denn sonst hätten diese Leute nicht so viel Einfluss auf seine Dienststelle nehmen können. Wenn es nach Wagner gegangen wäre, hätte er Graziella ihren Verfolgern ausliefern und sich selbst aus dem Verkehr ziehen müssen. Mit einem gewissen Humor fragte er sich, ob zu dieser Zeit gerade ein Auftragsmörder durch die Schweizer
Berge streifte, um ihn zu erledigen. Wenn ja, würde der Kerl lange suchen müssen.
Da Torsten mit sich selbst beschäftigt war, unterhielt Graziella sich mit Petra.
Deren Kopf schien jedoch nur mit technischen Daten gefüllt zu sein, die sie bald langweilten. Viel lieber hätte sie über Mode gesprochen und wie Petra mehr aus sich machen könnte. Mit den vielen Kilos auf den Rippen, einem rundlichen Gesicht und einem Stupsnäschen sowie dem kurzen, wie auf dem Schädel klebenden Haar hatte sie in Graziellas Augen eine Runderneuerung dringend nötig. Da Petra auf dem Ohr aber völlig taub war, schlief das Gespräch bald wieder ein.
Stattdessen begann Petra über den Zwischengang hinweg eine Unterhaltung mit einer nicht mehr ganz jungen Reporterin und ließ dabei heraushängen, dass sie mit Bill Gates persönlich bekannt sei.
In Tallinn angekommen erwies sich Torstens kleiner Deal mit der Flughafenpolizei in Wien-Schwechat als weiterer Vorteil, denn er und seine Begleiterinnen konnten die Kontrollen ohne Probleme passieren, während der Rest der Passagiere und deren Gepäck bis in den letzten Winkel und die verborgenste Falte durchsucht wurden. Torsten, der sich in Hoikens’ Situation hineinzudenken versuchte, kam immer mehr zu der Überzeugung, dass der Attentäter sich als Angehöriger eines der vielen Sicherheitsdienste tarnen musste, um ungehindert nach Tallinn zu kommen.
Noch während er überlegte, ob es Petra gelingen konnte, die Namen und Bilder aller italienischen Agenten herauszufinden, die nach Tallinn entsandt worden waren, entdeckte er am anderen Ende der Halle einen Mann in einem gut sitzenden hellen Anzug und einem beigefarbenen Hut, dessen Haltung ihm bekannt vorkam. Noch während ihn die Erkenntnis
packte, dass es sich tatsächlich um Hoikens handelte, verschwand dieser durch eine Schwingtür.
Torsten ließ sein Gepäck fallen und rannte los. Doch als er die Schwingtür erreichte und sich rüde durch die Reisenden zwängte, war von Hoikens nichts mehr zu sehen. Einige Taxis fuhren vom Vorplatz in Richtung Stadt, doch in welchem sein Feind saß, konnte er nicht sagen.
Mit einem ärgerlichen Schnauben kehrte er zu Petra und Graziella zurück. Die beiden starrten ihn entgeistert an.
»Was war denn?«, fragte Graziella leise.
»Nicht hier!«, antwortete Torsten knapp und nahm sein Gepäck wieder zur Hand.
»Sei froh, dass wir aufgepasst haben. Dein Koffer hätte sonst Füße bekommen. Wie es aussieht, hat sich hier die Elite der europäischen Taschendiebe versammelt.« Petra hatte gerade noch rechtzeitig bemerkt, dass sich jemand an ihrer Computertasche zu schaffen gemacht hatte, und äugte misstrauisch in die Runde.
Torsten nickte verbissen. »Diese Art von Ereignissen zieht solches Gesindel an wie ein Kuhfladen die Fliegen. Eigentlich sollte man meinen, es wären genügend Polizisten vor Ort, aber die kümmern sich anscheinend nur um den ordentlichen Verlauf der Tagung. Ob dabei die eine oder andere Brieftasche den Besitzer wechselt, interessiert sie nicht.«
Wie um seine Worte zu bestätigen, stieß er kurz darauf mit einer jungen,
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