Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
attraktiven Frau zusammen, die einen Becher Wasser in der Hand hielt. Ein Teil des Inhalts spritzte auf seine Jacke. Die Frau entschuldigte sich sofort wortreich bei ihm und versuchte die Flecken mit ihrem Taschentuch trockenzureiben.
Torsten bemerkte, wie sie dabei den Becher geschickt fallen ließ und mit der Hand unter sein Jackett griff. Ihre Finger ertasteten den Kunststoff des Pistolengriffs und dann den
kühlen Lauf. Es war direkt amüsant zu sehen, wie ihr Mienenspiel sich änderte. Ihr Unterkiefer hing auf einmal herab, und in ihren Augen las er Angst.
»Es wäre gut, wenn Sie Ihre Hände da wegnehmen könnten! «, sagte er mit einem Lächeln, das sie mehr erschreckte, als wenn er zornig geworden wäre.
»Entschuldigen Sie, ich …«, stotterte sie.
»Schwing die Hufe!«
Zunächst begriff die Diebin nicht, dass sie straffrei ausgehen sollte, dann aber drehte sie sich um und hastete davon.
»Du hättest sie anzeigen sollen. Jetzt wird sie andere bestehlen! « Aus Petra sprach die gekränkte Staatsbürgerin, die auf geordnete Verhältnisse pochte, während Graziellas Augen vor Wut sprühten.
»Du hast sie nur laufen lassen, weil sie hübsch ist!«
»Ich wollte einfach keine zusätzlichen Verwicklungen«, antwortete Torsten genervt.
Auf dem Vorplatz winkte er ein Taxi heran und forderte den Fahrer auf, sie zum Radisson Hotel zu bringen. Ihm ging es dabei weniger um die Qualität der Unterkunft, sondern vor allem um den guten Ausblick auf die Stadt, die man von den höheren Stockwerken aus hatte. Außerdem hatte er die Hoffnung, dass sich Hoikens aus ähnlichen Erwägungen heraus möglicherweise ebenfalls dort einquartieren würde.
Als sie das Hotel erreicht hatten, blieben die beiden Damen an der Rezeption auch dann noch freundlich, als sie hörten, dass die neuen Gäste nicht reserviert hätten.
»Es tut uns leid, aber unser Haus ist ausgebucht«, erklärte eine von ihnen bedauernd.
Noch während Torsten überlegte, wie er weiter vorgehen sollte, bat Petra die beiden Damen, ob sie kurz ihren Laptop an einem der Anschlüsse im Hotel einstöpseln dürfte. In dem Glauben, sie wolle nach einem freien Hotelzimmer suchen,
wurde es ihr erlaubt. Als sie zurückkehrte, glänzten ihre Augen verdächtig, und sie zwinkerte Torsten fröhlich zu. »Ich bitte um Entschuldigung, aber ich hatte doch reservieren lassen. Ich habe es bei dem ganzen Trubel durcheinandergebracht.«
Eine der Empfangsdamen sah jetzt in ihrem Computer nach und nickte etwas verwirrt. »Das stimmt, hier ist eine Reservierung für eine Frau Petra Waitl. Allerdings ist das nur ein Zimmer.«
»Für den Herrn hier genügt die Besenkammer«, antwortete Petra grinsend und zeigte dabei auf Torsten.
Das wollten die beiden freundlichen Damen dann doch nicht, und sie wiesen einen Pagen an, in dem reservierten Doppelzimmer ein Notbett aufzustellen.
DREIZEHN
H oikens hatte Renk am Flughafen nicht bemerkt, sondern war mit Mazzetti zusammen mit einem Taxi losgefahren, ohne einen Gedanken an einen möglichen Verfolger zu verschwenden. In seinen Augen war das geplante Verwirrspiel ausgezeichnet gelungen. Allerdings hatten ihnen Ghiodolfios Verbindungen zum Servizio Segreto Militare geholfen und – was die beiden nicht wussten – auch zum Netzwerk der katholischen Kirche, auf das Don Batista hatte zurückgreifen können. Bei den ihnen genannten Kontaktadressen in Athen, London und New York hatten stets die neuen Pässe und Flugkarten für die nächste Etappe für sie bereitgelegen. Daher waren die Flüge weniger aufregend als ermüdend gewesen, und Hoikens war froh, endlich am Ziel zu sein. Hier in Tallinn aber spürte er sofort wieder die Erregung, die ihn jedes Mal packte, wenn eine große Sache bevorstand.
Ehe er sich jedoch ans Werk machen konnte, mussten noch einige Vorbereitungen getroffen werden. Er dachte zufrieden daran, dass er bisher immer auf den richtigen Augenblick gewartet hatte, und so würde er es auch hier halten.
Unterwegs wechselten Mazzetti und er mehrmals das Taxi, bis sie sicher sein konnten, auch die letzte Spur verwischt zu haben. Ihr letztes Ziel war keines der großen Hotels der estnischen Hauptstadt, sondern ein Plattenbau in der Vorstadt Kitseküla, die von den Versammlungsgebäuden der EU-Ratsversammlung aus gesehen beinahe am anderen Ende der Stadt lag. Hier lebten viele Russen, die sich noch immer nicht mit der Unabhängigkeit Estlands abgefunden hatten. Deshalb gab es in diesem Stadtteil häufig Konflikte zwischen
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