Die Tallinn-Verschwörung - Thriller
vergessen, den Akku rechtzeitig aufzuladen.
Das Taxi, das sie hergebracht hatte, war längst weg, und so wandte sie sich wieder dem Schweizer zu.
»Können Sie mir bitte ein Taxi rufen?«
Der Mann beachtete sie jedoch nicht mehr, sondern starrte einer großen Limousine entgegen, die langsam heranrollte. Graziella musste ausweichen, damit der Wagen passieren konnte. Wer im Fonds des Autos saß, konnte sie wegen der getönten Scheiben nicht erkennen, doch vorne hockte Kardinal Winters unsäglicher Sekretär.
Damit war ihr der Tag endgültig verleidet. Da ihr der Wachtposten nicht helfen wollte, drehte sie sich um und machte sich auf den Weg ins Dorf.
ELF
D on Batista hatte Graziella ebenfalls bemerkt, hatte aber wegen des Fahrers nichts sagen wollen. Als der Wagen vor dem Tor anhielt, ließ er das Fenster auf seiner Seite herab und winkte den Wachtposten heran.
»Seine Eminenz, Kardinal Winter, und Monsignore Kranz«, erklärte er dem Mann.
»Ich mache sofort auf!« Der Schweizer wollte schon öffnen, als der Sekretär ihn zurückhielt.
»Eben kam uns eine junge Dame entgegen. Ich meine in ihr die Großnichte des Kardinals Monteleone erkannt zu haben. Wieso muss eine so nahe Verwandte eines Mitglieds der
Kurie zu Fuß gehen? Gibt es denn hier keine Autos mehr?« Don Batista stellte seine Fragen in der Hoffnung, mehr über Graziella zu erfahren.
Der Wachtposten sah aus, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige gegeben. »Verzeihung, Hochwürden, aber ich habe die Dame für eine aufdringliche Touristin gehalten und sie daher abgewimmelt.«
»Sie wird wohl deutlich gesagt haben, wer sie ist und was sie hier will«, antwortete Don Batista streng.
»Ja, das schon, aber …« Der Gardist brach ab und suchte einen neuen Anfang. »Die Dame wollte ihren Großonkel besuchen, doch der befindet sich nicht mehr in Castel Gandolfo. «
»Was soll das Gerede? Wir haben einen Termin für eine Audienz bei Seiner Heiligkeit, den wir nicht versäumen dürfen«, blaffte Winter von hinten.
»Wir fahren gleich weiter. Machen Sie jetzt das Tor auf!« Don Batistas letzte Worte galten dem Gardisten, der dem Wagen sofort den Weg freimachte.
Kranz, der im Lauf seiner Karriere erst ein Mal vom Papst empfangen worden war und der Wiederholung dieses Ereignisses entgegenfieberte, fragte Winter ärgerlich, weshalb sein Sekretär wertvolle Zeit mit Fragen nach der Nichte eines Kardinals vergeudete. Winter warf Don Batista einen raschen Blick zu und kniff verwundert die Augenlider zusammen. Er hatte seinen Sekretär selten so angespannt, ja besorgt erlebt wie jetzt, konnte ihn aber nicht fragen, denn die Audienz beim Papst war wichtiger als alles andere. Zwar hielt Winter nicht viel vom derzeitigen Nachfolger des Apostels Petrus, doch weder Kranz noch er konnten es sich erlauben, Seine Heiligkeit warten zu lassen.
Monsignore Giorgio, der Sekretär des Papstes, kam ihnen bis an den Wagen entgegen, um sie ihn Empfang zu nehmen.
Eigentlich wäre dies die Sache des obersten päpstlichen Kammerherrn gewesen, und Winter fragte sich, ob der Empfang durch den Sekretär als willentliche Brüskierung gedacht war oder den persönlichen Aspekt der Audienz unterstreichen sollte. Er kam zu keinem Ergebnis, denn Kranz und er wurden ohne Aufenthalt in die Bibliothek geführt. Der Papst saß in einem Sessel, ein Buch auf dem Schoß, und blickte erst auf, als sie direkt vor ihm standen.
Er ist alt und verbraucht, fuhr es Winter durch den Kopf, und er betete stumm, dass Benedikt XVI. wenigstens noch so lange durchhalten würde, bis er seine Bataillone in Stellung gebracht hatte. Als Erstes wollte er dafür sorgen, dass Kranz ebenfalls den Kardinalspurpur und ein bedeutendes Bistum in Deutschland erhielt. Da er jedoch zu diesem Zeitpunkt noch keine Forderungen stellen konnte, verbeugte er sich vor dem Papst und küsste den Ring an dessen Hand. Kranz folgte diesem Beispiel und trat dann einige Schritte zurück.
»Willkommen im Namen des Herrn«, grüßte der Papst seine Gäste.
»Eure Heiligkeit machen mich mit dieser Ehre überglücklich! « Kranz hatte im Vorfeld mit Winter besprochen, dass sie dem Papst um den Bart gehen wollten, um auf diese Weise möglichst viele Zugeständnisse von ihm zu erhalten.
Benedikt hatte die beiden jedoch nicht empfangen, um angenehm zu plaudern, sondern sprach Kranz sofort auf ein Thema an, das ihn beschäftigte. »Ich habe schlimme Sachen aus München gehört, mein Sohn. Eine Moschee ist zerstört worden, und dann ist es zu
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