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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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sagt immer, dass dein Vater dich viel zu sehr verwöhnt!«
    Anton lachte auf. »Das ist umgekehrt genauso. Mein Vater sagt, dass dein Vater dir einfach keinen Wunsch abschlagen kann und dass er nicht streng genug mit dir ist!«
    »Ja, wenn ich Stoff für ein neues Kleid möchte oder noch eine von den dummen silbernen Haarspangen, oder ein Buch über Haushaltsführung, dann kann er mir keinen Wunsch abschlagen. Aber sonst?« Betty verzog das Gesicht.
    Anton sah sie ernst an. »Was möchtest du denn wirklich?«
    Betty zuckte die Schultern. »Ach, ich weiß es nicht.« Wie kam es nur, dass sie plötzlich so ein seltsames Gefühl im Bauch verspürte? Und dass die Spange von John Francis Jocelyn in der Tasche ihres Kleides fast zu brennen schien? Sie tat so, als ob sie sich ein wenig zurechtsetze, und fühlte heimlich, ob sie noch da war. Sie sah, dass Anton die Stirn runzelte. Er bemerkte einfach immer alles! Sie müsste endlich aufhören, an diesen Morgen zu denken und an den fremden Kaufmann.
    »Hast du deinen Vater denn in letzter Zeit mal wieder nach einer Anstellung bei einem Fotografen gefragt?«
    »Gibt es nicht, hat er gesagt, da lernt man nichts, und das ist auch kein Handwerk und kein Gewerbe und sie bilden keine Lehrlinge aus, und das sind alles Hungerkünstler und Hallodris! Man kann vielleicht die Fotografie als Steckenpferd haben, aber es ist kein ehrbarer Beruf. Und sie wird sich auch nicht durchsetzen. Kein Mensch will eine Abbildung von sich haben, so wie er wirklich ist, sagt mein Vater. Ein ordentlicher
Kaufmann lässt sich in Öl malen.« Anton ahmte den dozierenden Ton seines Vaters nach. »Was soll ich nur tun?«
    »Warum schickt er dich denn nicht mit Mister Jocelyn nach Ostindien? Dann lernst du doch, dich wie ein Kaufmann zu gehaben!« Sie erschrak selbst über das, was sie da gesagt hatte.
    Anton sah sie einen Moment lang erschrocken an, dann rückte er näher und tat etwas, was er lange nicht mehr getan hatte. Er robbte auf sie zu, streckte die Arme aus und kniff Betty auf beiden Seiten leicht in die Taille. Sie lachte auf, so sehr kitzelte das.
    »Du willst mich also loswerden. Sehr interessant!« Anton wich ihren Händen aus, die nun nach seinen Knien griffen. Da war er besonders kitzlig. »Vielleicht muss ich dich öfter mal durchkitzeln!«
    Betty schüttelte den Kopf und ordnete ihre Kleider, als Anton sich wieder neben sie plumpsen ließ. Dieses Mal sogar etwas näher. Sie musste immer noch lachen. Was war das für ein merkwürdiger Sommertag, leichter und gleichzeitig schwerer als alle Tage zuvor! Sie hatte die ganze Zeit das eigenartige Gefühl gehabt, etwas verloren oder vergessen zu haben. Jetzt fiel es ihr wieder ein: Sie dachte daran, wie John Francis Jocelyn sie in seinen Armen aufgefangen hatte. Sie spürte seinen festen Griff immer noch. Die Morgensonne glitzerte auf dem Meer.
    »Wo bist du mit deinen Gedanken?« Anton schüttelte verdrossen den Kopf. »Ich glaube, dieser Inder hat es dir angetan.«
    »Unfug, er ist doch kein Inder. Zumindest sieht er nicht aus wie einer.« Betty zögerte. »Jedenfalls nicht so, wie ich mir Inder vorstelle. Und wie sie in Büchern abgebildet sind. Andererseits sieht er auch nicht aus wie die Männer hier. Er hat die gleiche Hautfarbe und er ist groß wie ein Engländer, aber er
hat dunkle Augen. Ich bin mir ganz sicher, dass Francis kein Inder ist. Er handelt nur in Indien. Und in China! Und er scheint so viel vom Tee zu verstehen. Findest du ihn nicht auch interessant und geheimnisvoll?«
    »Francis nennst du ihn also schon«, wiederholte Anton tonlos. Er hatte die ganze Zeit in Bettys Gesicht gesehen, jetzt aber schaute er an ihr vorbei in Richtung Stadt. Er kniff die Augen zusammen, so als wolle er etwas Bestimmtes genau erkennen. War er etwa eifersüchtig?
    Betty kräuselte die Nase. »Riecht es hier nach Tee? Ich habe solche Sehnsucht nach einer guten Tasse Chinatee! Seltsam, ich meine fast, sie riechen zu können!« Sie zog die Stirn in Falten, wie immer, wenn sie einem Duft besonders genau nachspüren wollte. »Riechst du nichts, Anton? Das riecht verbrannt! Ich glaube, jemand verbrennt eine Teekiste! Und einiges anderes noch dazu!«
    In diesem Augenblick schrie Anton Asmussen auf. Er schrie so laut, wie Betty noch niemals einen Menschen hatte schreien hören. Betty sah ihn entsetzt an, dann wich sie zurück und folgte seinem Blick und der ausgestreckten Hand, die in Richtung Stadt zeigte. Dort kräuselte sich eine dunkelbraune Rauchsäule

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