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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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doch nur diese Aktien bekäme, wenn Roddy doch nur einfiele, wie man Sheehan festnageln könnte. Wenn, wenn.
    Vom Strand bog sie rechts in die Southampton Street und ging in Richtung Covent Garden. Sie sah auf ihre Uhr – fast vier – und beschleunigte ihre Schritte. Sie hatte vor, die Schnelle Tasse auf dem englischen Markt einzuführen, und wollte sich über die Arbeitsweise englischer Werbefirmen informieren. Dazu war sie mit dem Firmeninhaber Anthony Bekins persönlich verabredet, der ihr von Nate Feldman empfohlen worden war, um sich Beipiele seiner Arbeit anzusehen und Kosten und Strategien zu besprechen. Sie wußte, wenn sie sich auf geschäftliche Dinge konzentrierte, würde sie ihre anderen Sorgen vergessen. Zumindest für eine Weile.
    Vollkommen in Gedanken versunken, sah Fiona den Fahrer, der mit einem Karren voller Kopfsalatkisten auf sie zukam, erst im letzten Moment. Als sie ihm ausweichen wollte, stolperte sie und fiel gegen eine Backsteinmauer. Der Mann schoß an ihr vorbei und verfehlte sie um Haaresbreite.
    »Passen Sie doch auf, Missus!« rief er.
    »Ich?« stieß Fiona, benommen von dem Sturz, hervor. »Sie sollten aufpassen, wohin Sie fahren, Sie Trottel!«
    Der Mann warf ihr einen Kuß zu und verschwand um die Ecke.
    »Das sind wirklich Rüpel«, sagte eine Stimme. Fiona drehte sich um und sah eine Frau mit einem Korb voller Blumensträußchen am Arm. »Alles in Ordnung, meine Liebe?« fragte sie und half ihr auf.
    »Ich glaub schon. Danke.«
    »Hier müssen Sie aufpassen, sonst fahren die einen über den Haufen, eh man sich’s versieht.«
    »Danke«, sagte Fiona noch einmal und drehte sich um, um nach ihrer Tasche zu suchen. Sie lag auf dem Gehsteig, und als sie sich bückte, um sie aufzuheben, spürte sie einen Stich in der Schulter. Ich muß mich beim Fallen angestoßen haben, dachte sie, richtete sich auf und sah, woran sie sich verletzt hatte. Eine harte, auf Hochglanz polierte Messingplakette, auf der zu lesen stand: BRISTOWS COVENT-GARDEN-GROSSHANDEL, INHABER: JONATHAN UND JAMES BRISTOW . Sie starrte eine volle Minute darauf, las die Worte immer und immer wieder und flüsterte dann: »Das kann nicht sein.«
    Das ist nicht er. Warum sollte er ein eigenes Geschäft haben? Er arbeitet für Peterson’s. Vermutlich leitet er die Firma jetzt. Aber wer sollte es sonst sein? Er hatte einen jüngeren Bruder namens Jimmy – sie erinnerte sich vage an ihn –, das wäre der James Bristow. Und Schwestern. Sie erinnerte sich an keine von ihnen. Es war zu lange her. Sie versuchte zu schlucken, aber ihr Mund war trocken geworden. Und ihre Hände zitterten. Was wohl von dem Sturz kam, dachte sie.
    Frauen und Männer, alles Marktarbeiter, gingen an ihr vorbei, einige ignorierten sie, andere blickten sie neugierig an. Sie sah auf die Tür. Sie war in leuchtendem Dunkelgrün gestrichen, wie die von Michaels Lebensmittelladen. Sie erinnerte sich, daß sie die gleiche Farbe an der Fassade von Fortnum & Mason’s gesehen hatte. An dem freien Tag, den sie einst genommen hatte. Sie hatte ihnen beiden gefallen, und sie fanden, daß sie eine schöne Farbe für eine Ladentür abgäbe.
    Sie wollte nach oben gehen, ihn sehen, aber sie hatte Angst. Sie machte einen Schritt auf die Tür zu und hielt inne. Tu’s nicht, sagte sie sich. Es hat keinen Sinn. Es tut bloß weh. Geh einfach weiter. Dann kannst du wenigstens sagen, daß du ihn nie mit ihrem Ring am Finger gesehen hast – glücklich. Aber sie bewegte sich nicht. »Los«, zischte sie. »Jetzt geh schon weiter, du dumme Närrin!«
    Sie ging weiter. Hölzern anfangs, dann entschlossener. Als sie zur Tavistock Street Nummer zweiunddreißig gelangte, drehte sie den Türknopf, wandte sich dann aber wieder um und lief zu dem Haus an der Ecke zurück. Noch nie hatte sie sich von Angst aufhalten lassen. Sie schaffte das schon. Sie hatte das alles überwunden – den Zorn, den Schmerz. Sie wollte ihn einfach wiedersehen. Wie einen alten Freund. Bloß aus Neugier, bloß um festzustellen, wie es ihm ergangen war. »Lügnerin«, flüsterte sie. Sie wollte diese lachenden blauen Augen sehen.
    Aufgeregt blieb sie vor dem Gebäude stehen und betrachtete es. Riesige Türen, die halb offen standen, gaben den Blick in ein Lagerhaus frei. Sie bezweifelte, daß er dort drinnen wäre. Die dunkelgrüne Tür mußte zu seinem Büro führen. Da würde sie es probieren. Sie holte tief Luft, stieß die Tür auf und ging eine Treppe hinauf, die zu einem offenen Empfangsraum führte,

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