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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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hinter ihm. Durch die Gepäckstapel im Vorraum ging er in den Salon und sah im Vorbeigehen auf Fionas Schlafzimmertür. Sie war geschlossen. Sie hielt noch immer ein Nickerchen. Er würde sie ruhen lassen, bis die Koffer unten waren. Das Packen hatte sie ermüdet. Erst heute morgen war sie aus dem Krankenhaus gekommen und fühlte sich noch immer schwach.
    Roddy hatte Angst, sie zu sehr anzustrengen. Er sorgte sich, da der Umzug, auf dem er bestanden hatte, ihre letzten Reserven erschöpfen könnte, aber er hatte keine andere Wahl. Zwei Tage nach seinem Mordversuch an Fiona war Burton immer noch auf freiem Fuß. Die Polizei durchkämmte die Stadt nach ihm. Vor seinem Haus, in der Mincing Lane und vor der Albion-Bank waren Wachen postiert. In mehreren Zeitungen war sein Bild erschienen, und die Bevölkerung war aufgerufen worden, die Augen offenzuhalten, aber es gab kein Anzeichen von ihm. Nicht das geringste.
    Niemand wußte, wo er war, aber er konnte leicht herausfinden, wo Fiona sich aufhielt. Viele Zeitungen hatten Geschichten über sie gebracht. Die Leser wollten alles über die tapfere junge Witwe wissen, die den Tod ihres Vaters gerächt hatte. Einige Zeitungen hatten sogar geschrieben, daß sie im Savoy wohne. Burton brauchte sich bloß eine zu greifen und sie zu lesen. Und obwohl die Zimmer privat waren, war die Hotelhalle der Öffentlichkeit zugänglich. Jeder konnte hier reinmarschieren. Was Hunderte von Leuten jeden Tag auch taten. Drückte man einem skrupellosen Pagen oder Zimmermädchen ein paar Münzen in die Hand, bekam man problemlos Informationen über einen Gast.
    Roddy hatte entschieden, daß Fiona in einem Privathaus wesentlich sicherer wäre. Er hatte eine Agentur in Knightsbridge eingeschaltet und noch am selben Tag ein schön möbliertes Stadthaus in der Mitte eines Straßenzugs in Mayfair gefunden, das nur von vorn zugänglich war. Es gehörte einem Diplomaten, der nach Spanien versetzt worden war. Außerdem hatte Roddy Alvin Donaldson, den Superintendenten, der die Burton-Untersuchung leitete, überredet, zwei Wachen vor ihre Tür zu stellen.
    Fiona glaubte, daß Burton sich schon lange aus dem Staub gemacht hatte, da London für ihn ein zu gefährliches Pflaster geworden war. Sie fand, daß Roddy sich unnötige Sorgen machte, aber ihr Onkel hatte nicht nachgegeben. Burton hatte ihren Vater ermordet, bloß weil er ihn für eine Bedrohung seiner Firma hielt. Was würde er mit einer Person machen, die ihm diese Firma tatsächlich abgenommen hatte? Er würde sie ohne mit der Wimper zu zucken töten. Er brauchte nur die Gelegenheit dazu.
    Während er den Salon nach vergessenen Sachen absuchte, hörte er ein Klopfen an der Tür. Er griff nach seinem Knüppel, obwohl er überzeugt war, daß es nur der Page sein konnte, der die Koffer holen wollte, aber er ging kein Risiko ein. »Wer ist da?« rief er, die Hand auf dem Türknopf. Kurzes Schweigen, dann die Antwort: »Joe Bristow.«
    »Verdammter Mist«, murmelte Roddy und machte auf.
    »Hallo, Roddy. Ist … ist sie da?«
    Roddy schüttelte den Kopf. »Sie war’s«, log er auf die Koffer deutend, »aber sie ist nach Amerika abgereist. Heute morgen.« Er hatte nicht die Absicht, Joe Bristow auf Fiona loszulassen. Nicht nachdem sie gesagt hatte, daß sie ihn nicht sehen wolle.
    Joe wirkte wie erschlagen. »Ich kann nicht glauben, daß ich sie verpaßt hab«, sagte er. »Ich hab versucht, sie im Krankenhaus zu besuchen, nachdem ich gelesen hab, was passiert ist, aber sie haben keinen Besuch erlaubt. Nicht mal meine Grüße wurden ausgerichtet.«
    »Ja, das geschah auf meine Anweisung«, erwiderte Roddy. »Ich hatte Angst, daß Burton oder einer seiner Handlanger hinter ihr her sein könnte. Ich laß sie wissen, daß du vorbeigekommen bist. Ich richte ihr deine Grüße aus.«
    »Das würd ich gern selbst machen. Kann ich ihre Adresse in New York haben?«
    Roddy dachte einen Moment nach, überlegte, wie er den Schlag abmildern könnte, und entschied sich dann, ehrlich zu ihm zu sein. »Joe, sie weiß von unserem Treffen, von allem, was du für sie getan hast, und sie ist dir dankbar dafür. Aber sie will dich nicht sehen. Das hat sie mir selbst gesagt. Tut mir leid, Junge.«
    Joe sah zu Boden, dann wieder zu Roddy auf. »Könntest du ihr wenigstens sagen, daß ich vorbeigekommen bin?«
    »Ja sicher.«
    »Und würdest du ihr das geben?« Er reichte ihm seine Karte.
    »Ich schick sie ihr.«
    »Danke. Wiedersehen, Roddy.«
    »Wiedersehen, Joe.« Roddy

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