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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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versucht, Roddy zu finden?« fragte Fiona. »Er hätte dir helfen können, dir sagen können, wohin Seamie und ich gegangen sind.«
    »Ich hab’s versucht«, antwortete er ausweichend. »Ich hab in seiner alten Wohnung nach ihm gesucht, aber da war er nicht mehr.«
    Fiona ließ nicht locker. »Aber nachdem du verschwunden warst, ist im Fluß eine Leiche gefunden worden. Roddy hat sie identifiziert. Sie hatte rotes Haar und Pas Uhr bei sich. Die Uhr, die er dir geschenkt hat. Wir dachten, du seist es. Charlie, wen um alles in der Welt haben wir da beerdigt?«
    Er sah weg.
    »Wen, Charlie?«
    »Sid Malone.«
    Fiona sank sprachlos ins Sofa zurück.
    Rasch erzählte er ihr alles. Eines Nachts, nachdem zum erstenmal sein Gedächtnis zurückgekommen war, befand er sich auf der Wapping High Street. Er durchwühlte gerade den Abfall eines Pubs, als ihn ein Mann am Genick packte. Es war Sid Malone, sein alter Widersacher. »Ja, wen haben wir denn da? Alles fragt sich, was aus dir geworden ist. Hab gehört, daß du abgehauen bist. Hab ja schon immer gewußt, daß du ein Feigling bist«, sagte Sid. Und dann brach er ihm mit einem Schlag die Nase. Vor Schmerz sah er ein paar Sekunden nichts, lang genug, um seinem Angreifer zu erlauben, seine Taschen zu durchsuchen. Geld war keines bei ihm zu holen, aber die Uhr seines Vaters. Sid steckte sie ein und versetzte ihm noch ein paar Hiebe. Er werde ihn umbringen und dann in den Fluß werfen, drohte er, und das hätte er auch getan. Seine Schläge waren grausam und zwangen ihn zu Boden. Charlie versuchte, sich wieder aufzurichten. Als er Halt suchte und seine Finger über die Pflastersteine glitten, trafen sie auf einen losen Stein. Er riß ihn heraus und schleuderte ihn blindlings in die Höhe. Darauf erfolgte ein dumpfes Krachen.
    Er hatte Sids Kopf getroffen. Ihn eingeschlagen. Er versuchte, ihn wieder zu sich zu bringen, aber vergebens. Aus Angst, niemand würde ihm glauben, daß er sich nur verteidigt hatte, tat er, was Sid ihm angedroht hatte: Er schleifte den leblosen Körper zum Fluß und warf ihn vom Dock – und vergaß in der Hast, seine Uhr zurückzuholen.
    »Das ist der wahre Grund, warum ich nicht zu Roddy gegangen bin«, gab er zu. »Ich befürchtete, jemand könnte gesehen haben, wie ich Sid erledigt hab. Ich wollte ihn nicht mit in die Sache reinziehen.«
    »Roddy hätte dir geglaubt, Charlie«, sagte Fiona und brach wieder in Schluchzen aus. »Er hätte dir geholfen.«
    »Statt dessen ging ich zu Denny. Es war seine Idee, Sids Namen anzunehmen. Er sagte, der Kerl habe keine Familie. Ich solle eine Weile untertauchen und auf die Südseite des Flusses gehen, wo mich niemand kannte. Denny hat für mich gesorgt. Die ganzen Jahre über. Wir wollten zusammen Geschäfte machen. Wir wollten das ganze East End übernehmen, nördlich und südlich vom Fluß. Er hat mir beigebracht, wie man überlebt, Fiona. Mich wie einen Sohn behandelt.«
    »Und einen Kriminellen aus dir gemacht«, sagte Fiona leise.
    Daraufhin wandte er sich ab, drehte sich aber schnell wieder zu ihr um und deutete mit dem Finger auf sie. »Ich hatte nichts! Niemanden! Ich mußte überleben, Fiona. Und das ist mir gelungen. Nicht auf deine Weise vielleicht, aber auf meine. Auf meine Art, wie’s zu diesem Viertel paßt.«
    »Mit Stehlen, Charlie? Damit, anderen Leuten die Köpfe einzuschlagen? Mit denselben Dingen, die Bowler Sheehan getan hat? Du erinnerst dich doch an Sheehan? Der Mann, der unseren Pa getötet hat?«
    Charlies Kiefer spannten sich an. »Ich denk, es ist Zeit, dich heimzubringen«, erwiderte er. »Tommy! Dick!« rief er.
    Fiona stellte fest, daß sie zu weit gegangen war. »Nein, Charlie, noch nicht. Sprich mit mir, bitte.«
    »Charlie? Wer soll das denn sein?« fragte ihr Bruder mit einer Mischung aus Trotz und Trauer in den Augen. »Mein Name ist Sid. Sid Malone.«
    Er küßte sie zum Abschied und sagte ihr, sie solle nicht versuchen, ihn zu finden. Dann begleiteten seine Männer sie trotz ihrer Tränen und ihres Protests aus seinem Büro.
    Die Tage, die danach folgten, waren schrecklich gewesen. Sobald Charlies Männer sie und Joe nach Hause gebracht hatten, rief sie in Roddys Revier an. Roddy war nicht dort, aber ein Polizist fand ihn und teilte ihm mit, wo sie waren. Vor Tagesanbruch kam er in Greenwich an und wollte kaum glauben, daß sie am Leben waren. Fiona erzählte ihm alles, was passiert war. Und er, einer der härtesten und zähesten Männer, die sie kannte, weinte wie ein Kind,

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