Die Templerin
Gesicht fühlte sich klebrig an. Der Helm, den der Templer noch in den Händen hielt, schimmerte in hellem Rot.
»Mir fehlt nichts«, versicherte sie mit zitternder Stimme. Sie war zu matt, und ihr Hals schmerzte zu sehr für langwierige Erklärungen, und so deutete sie nur mit einer Kopfbewegung auf den blutenden Torso, der neben ihr lag. Der Blick des Tempelritters folgte der Bewegung, und er verstand.
»Habt Ihr… mich gerettet?« fragte sie mühsam.
»Ich habe nur einen geringen Teil der Schuld zurückgezahlt, in der wir Euch gegenüberstehen«, antwortete der Ritter. »Ohne Euch wären wir alle elendiglich verbrannt. Mein Name ist Horace. Und Eurer?«
»Robin«, antwortete Robin erschrocken. Horace? Das war Horace, dessen bloße Anwesenheit die ganze Komturei in Angst und Schrecken versetzt hatte? Sie rettete sich in einen nur zum Teil gespielten Hustenanfall, und Horace legte den Helm aus der Hand und stand auf. »Ruht Euch aus, Bruder Robin«, sagte er. »Was hier noch zu tun ist, darum kümmern wir uns jetzt.«
Bruder Robin schloß zum Zeichen ihres Einverständnisses kurz die Augen, und Horace wandte sich endgültig um und ging. Robin blieb noch einen Moment reglos sitzen, um neue Kraft zu schöpfen, dann hob sie müde die Hände und versuchte, sich wenigstens das ärgste Blut aus dem Gesicht zu wischen, machte damit aber vermutlich alles nur schlimmer. Sie stand umständlich auf, wobei sie fast krampfhaft versuchte, nicht in die Richtung des kopflosen Leichnames neben sich zu blikken. Eine Mischung aus Ekel und dumpfer Verzweiflung hatte sie gepackt. Sie wünschte sich weg, weit, weit weg, und sie hatte plötzlich Angst vor sich selbst. Als sie sich nach Schild und Schwert bückte, mußte sie all ihre Selbstbeherrschung aufbieten, um die Waffen an sich zu nehmen. Es war nicht das erste Mal, daß sie Tempelritter im Kampf beobachtete. Sie wußte, wozu diese hochtrainierten und von heiliger Besessenheit erfüllten Krieger Gottes in der Lage waren. Aber diesmal war sie nicht nur Opfer oder unbeteiligte Zeugin gewesen, sondern hatte an dem Kampf teilgenommen. Daß sie selbst niemanden getötet hatte, machte es keinen Deut besser. Sie betrachtete das Schwert in ihrer Hand eine Zeitlang, ehe sie es in die Scheide schob. An der bläulich schimmernden Klinge klebte Blut, Ottos Blut, das aus seinen zerschnittenen Halsschlagadern wie eine Fontäne überall hin gespritzt war - wie um ihr zu zeigen, daß sein Blut an ihrem Schwert klebte, ob sie es nun wahrhaben wollte oder nicht.
Was hatte Salim gesagt? Du bist unter dem Schwert aufgewachsen … Was, dachte sie schaudernd, wenn er mit diesem harmlosen Scherz der Wahrheit näher gekommen war, als sie beide in diesem Moment gewußt hatten? Vielleicht war es die Wahrheit gewesen, und vielleicht hatte der englische Soldat ihr mehr hinterlassen, als ein rostiges Schwert und einen alten Schild.
Sie bückte sich nach dem Helm, klemmte ihn unter den linken Arm und drehte sich müde herum.
Der Kampf war vorüber, und die fünf Tempelritter kümmerten sich nun gegenseitig um ihre Verletzungen, die zum allergrößten Teil aus Brandwunden und eher leichten Schnittwunden zu bestehen schienen. Dann aber sah sie, daß der Sieg vielleicht doch nicht so triumphal gewesen war, wie es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte: Zwischen den Leichen der Angreifer lag auch eine reglos ausgestreckte Gestalt in Weiß.
Sie ging hin und stockte mitten im Schritt, als sie den Toten erkannte. Es war Jeromé.
Sein Gesicht war rußgeschwärzt, aber nur zum Teil zu erkennen. Jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen.
»Es tut mir leid, Robin«, sagte Horace hinter ihr. »Er war dein Freund?« Robin deutete ein Kopfschütteln an. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, aber es war nicht der Anblick des Toten, der sie so erschütterte, nicht einmal der der grauenhaften Verletzung. Es war der Ausdruck in seinen Augen. Keine Furcht oder Schmerz. In Jeromés weit aufgerissenen, für immer erloschenen Augen stand ein Ausdruck fassungsloser Verblüffung
- als hätte er seinem Mörder im allerletzten Moment ins Gesicht geblickt und könnte einfach nicht glauben, was er sah…
»Er war wohl niemandes Freund, nach allem, was ich gehört habe«, fuhr Horace fort. »Aber er war ein guter Christ und ein tapferer Mann. Wir werden für ihn beten.«
Robin nickte nur. Sie versuchte unbeholfen, das Kreuzzeichen zu schlagen, so wie sie es bei Abbé und den anderen gesehen hatte, kam aber durcheinander und
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