Die Templerin
gab keinen Grund, Menschen zu töten. Es gab keinen Grund, ihre Mutter zu tötenl Sie hatte niemandem etwas getan.
Sie starrte den Ritter weiter wortlos und aus aufgerissenen Augen an, und natürlich deutete der Krieger ihren Blick falsch. »Hab keine Angst, Kind«, sagte er grimmig. »Wir werden dem ein Ende bereiten. Los!« Das letzte Wort galt seinen beiden Begleitern, die daraufhin ihre Waffen zogen und zusammen mit ihm losgaloppierten. Es war noch nicht vorbei, dachte Robin benommen. Sie hatten noch nicht erreicht, was sie wollten. Noch mehr Tote. Noch mehr Zerstörung.
»Nein«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. »Aufhören. Hört doch… endlich auf!« Und dann schrie sie, so laut sie nur konnte: »Aufhören! Es ist alles Lügel« und rannte hinter den Reitern her, so schnell sie nur konnte.
Sie brauchte nicht lange, um sie einzuholen. Die vier Tempelritter hatten die gesamte Einwohnerschaft des Dorfes, die noch lebte, auf dem großen Platz in der Mitte zusammengetrieben. Sie sah, daß einige von ihnen verletzt waren, aber trotzdem machte sich für einen Moment eine wilde, verzweifelte Hoffnung in ihr breit. Vielleicht hatte sich Gero ja geirrt. Vielleicht hatten ihm Schmerzen und Feuerschein etwas vorgegaukelt, was nicht wahr war, und vielleicht -
Ihr Blick tastete verzweifelt über die Gesichter der Menschen, die sich angstvoll in der Mitte des Platzes zusammengedrängt hatten. Ihre Mutter war nicht darunter.
Ein Gefühl furchtbarer Leere begann sich in ihr auszubreiten. Ihre Mutter war tot. Ihre beste Freundin war tot und so viele andere, die sie gekannt und geliebt hatte, und rings um sie herum ging die Welt, in der sie geboren und aufgewachsen war, in Flammen auf, aber sie empfand nichts von alledem, was sie erwartet hätte. Keinen Schmerz, keinen Zorn, nicht einmal Trauer. Sie fühlte nur Leere, eine schreckliche, kalte Betäubung, als wäre alles in ihr, was einmal menschlich gewesen war, in einem einzigen Moment gestorben. Beinahe teilnahmslos sah sie zu, was weiter geschah.
Was immer die Tempelritter mit den Dorfbewohnern vorgehabt hatten, sie kamen nicht mehr dazu, denn die drei anderen Reiter hatten ihre Tiere zwischen sie und ihre Opfer gelenkt und drohend die Waffen erhoben. Daß die Tempelritter nicht nur besser bewaffnet, sondern auch in der Überzahl waren, schien sie nicht zu beeindrucken.
»Was geht hier vor?« fragte der Blonde kalt. Obwohl seine Stimme nur dumpf unter dem geschlossenen Visier seines Helmes hervordrang, erkannte Robin sie zweifelsfrei wieder - ebenso wie die des Narbigen, als er in rüdem Ton antwortete:
»Nichts, was Euch anginge, Gernot von Elmstatt. Mischt Euch nicht in unsere Angelegenheiten!«
»Eure Angelegenheiten?« Robin glaubte Gernots hämisches Grinsen regelrecht zu hören. Plötzlich wußte sie auch, wieso ihr das Gesicht des blondgelockten Ritters so bekannt vorgekommen war. Sie hatte ihn tatsächlich noch nie gesehen, wohl aber seinen Vater, Gunthar von Elmstatt. Die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen.
»Eure Angelegenheiten?« fragte Gernot noch einmal, als er keine Antwort bekam, sondern die Tempelritter ihn nur schweigend anstarrten. »Ich glaube nicht, daß es sich um Eure Angelegenheiten handelt, Sire. Dieses Dorf gehört zum Lehen meines Vaters. Was gibt Euch das Recht, seine Bewohner zu erschlagen und seine Häuser anzuzünden?«
»Sie haben einen der unseren erschlagen!«
»Und das gibt Euch das Recht, mit Feuer und Schwert hierherzukommen und diese braven Leute abzuschlachten wie Vieh?« Gernot schüttelte wütend den Kopf. »Wenn diese Menschen ein Verbrechen begangen haben, dann wendet Euch an ihren Lehnsherren, meinen Vater - ihm allein obliegt es, Recht zu sprechen!«
»Es handelt sich um eine Angelegenheit der Kirche, nicht weltlicher Gerechtigkeit«, antwortete der Tempelritter kalt. »Ich sage es Euch nur noch ein einziges Mal, Gernot: Mischt Euch nicht ein, oder…«
»Oder?« fragte Gernot lauernd.
»Oder tragt die Konsequenzen«, führte der Templer seinen begonnenen Satz zu Ende.
Gernot wollte antworten, aber der Reiter zu seiner Linken kam ihm zuvor: »Ihr wagt es, meinen Bruder zu bedrohen?« fragte er wütend. »Was erdreistet Ihr Euch, Drohungen gegen einen von Elmstatt auszusprechen?«
Er wollte sein Schwert heben, aber sein Bruder legte ihm rasch und beruhigend die Hand auf den Unterarm und drückte die Waffe herunter. »Laß ihn, Gundolf«, sagte er. »Für einen Tag ist genug Blut geflossen. Sie
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