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Die Templerverschwoerung

Die Templerverschwoerung

Titel: Die Templerverschwoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Easterman
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am Tag des Sühneopfers aufsucht. Es wäre sein Tod, wenn er sich ihr so weit näherte, dass er die Cherubim erblickte oder gar die Lade mit eigenen Augen sähe und damit Gott zu nahe käme. Dieses Gebot galt vor vielen, vielen Jahren zur Zeit des Ersten Tempels, aber hier war nicht Jerusalem. Aus den Rauchschwaden leuchteten Kerzen herüber wie winzige Sterne im Pferdekopfnebel, fünfzig Millionen Lichtjahre entfernt, in einer anderen Galaxie, wo sie bis heute entstehen. In dieser englischstenaller Kirchen sang kein Chor vom Christuskind in der Krippe. Auf einer Seite ertönte eine Trommel – ein riesiges liturgisches Instrument, mit rotem geblümtem Stoff umhüllt. In ihren eindringlichen, stampfenden Rhythmus fiel bald eine zweite ein, der schwingende Hände dumpfe Töne entlockten. In zwei Reihen aufgestellte Diakone in weißen Gewändern, weiße Kronen auf den Köpfen und schwarze Umhänge wie Ebenholz über den breiten Schultern, wiegten sich im Rhythmus der Trommeln und schwangen dabei ihre Sistren, die die Pausen zwischen den Trommelschlägen mit ihren klappernden Tönen füllten. In der Linken hielten sie lange Gebetsstäbe wie Blindenstöcke, den Griff nach oben gerichtet. Die Trommler zogen endlose Kreise um sie, und ihre Schläge füllten wie Donnergrollen den Raum. Vor dem verhüllten Allerheiligsten klatschten Männer und Frauen in die Hände und bewegten sich ebenfalls im Rhythmus der Schlaginstrumente. Kantoren intonierten eine tiefbewegende Melodie in der uralten Sprache Äthiopiens. Kaleb genoss das mit allen Sinnen und spürte, wie sich sein Herz bei den Tönen, Gerüchen und Farben seiner Kindheit zusammenkrampfte. Wenn sie wüssten, was er wusste, würden sie ihn dann wohl auf ihre Schultern heben? Oder ihn auf der Stelle töten? Wenn er diese Zeremonie nun anhielt und es ihnen sagte, was würden sie wohl tun?
    Die acht Häupter auf den Säulen schauten auf die Tänzer, auf Erlöste und Verdammte herab. Die Priester hatten aus ihrer Mutterkirche in London Ikonen mitgebracht und an den Wänden aufgehängt. Christus blickte von weit oben herunter, seine Mutter Maria stillte ihr Kind, und Reihen von Heiligen blickten vom Himmel herab. Ganz oben auf der Himmelsbrücke sah man die runden Gesichter singender Engel. Wer nicht tanzte, wiegte sich versunken hin und her, Körperund Geist im Banne der Musik, des Gesangs und der heiligen Texte.
    Als der Gottesdienst dem Ende entgegenging, hätte Kaleb gern eine Zigarette geraucht. In der Kirche war das nicht möglich, aber er musste bleiben, weil hier nach dem Gottesdienst sein Seminar begann. Seine Gruppe bestand aus sieben Postgradualen, die sämtlich an ihren Dissertationen arbeiteten. Heute war ihr regulärer wöchentlicher Seminartag, an dem sie sich über ihre Forschungsergebnisse austauschten. Danach begannen auch für sie die Weihnachtsferien, die sie in Cambridge, in Äthiopien oder dort verbringen wollten, wo sie zu Hause waren. Er hatte sie zu diesem Gottesdienst eingeladen – die vier Äthiopier, denen Derartiges von Kindesbeinen vertraut war, und die drei Nichtäthiopier, die es zum ersten Mal erlebten. Sie waren allesamt gekommen, tanzten und wiegten sich zu der Musik. Er lächelte. Tage wie diesen gab es nicht oft. Er nahm seine Aktentasche auf, von der er sich keinen Schritt entfernt hatte. Wäre Zeit gewesen, dann hätte er gern mit ein paar alten Freunden gesprochen, vor allem mit der Abordnung, die aus London gekommen war. Aber sein Seminar ging vor, weil er der Gruppe etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Er öffnete die Tür und trat hinaus.

2. KAPITEL
    Draußen fiel immer noch Schnee aus einem bleigrauen Himmel. Nach der Wärme des Raumes spürte er die Kälte doppelt stark. Vielleicht lag das daran, dass der Gottesdienst, das Dröhnen der Trommeln, die Erregung in den Gesichtern der Tänzer und die Nähe des Geistes tief in ihm kein wirkliches Echo ausgelöst hatten. Etwas hatte sich verändert, das spürte er. Sein Atem hing weiß in der Luft und löste sich auf. Er zückte eine Packung Benson & Hedges und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Seine Hand zitterte, als er sie anzündete. Da klopfte ihm jemand von hinten leicht auf die Schulter.
    » Teanaste’lle’n , Professor.«
    Er fuhr herum. Vor ihm stand Endriyas Yemata, einer der Äthiopier von Cambridge. Endriyas war ein verheirateter Pfarrer, der nach England gekommen war, um seine Kinder auf gute Schulen und später nach Oxford oder Cambridge zu schicken. Er hatte

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