Die Terranauten 010 - Revolte auf Luna
mit dem Daumen über die Schulter. »Gegenüber. Wir haben genug Appartements. Zumindest eines kann man von den Mondkerkern nicht behaupten: Daß hier Mangel an Wohnraum besteht.«
Sein Gesicht war mißmutig und wirkte übermüdet. Offenbar saß er schon sehr lange an Llewellyns Pritsche. »Ich bin Morgenstern«, brummte er. »Seit vier Jahren auf Luna.«
»Warum?« Llewellyn hob den Kopf.
»Spielt das eine Rolle?« Der Häftling zuckte die Achseln. »Auf Luna ändern sich die Dinge. Was früher wichtig war, vergißt man hier unten sehr schnell. Treiber, wir fragen nicht danach, wer jemand war und was er tat, sondern danach, wie er in den Mondkerkern reagiert. Das ist unsere Basis. Darüber müssen Sie sich im klaren sein, Treiber.«
»Nennen Sie mich Llewellyn«, bat der Riemenmann. Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Vielleicht könnten Sie mir etwas zu essen besorgen, Morgenstern. Ich habe zwar einen Haufen Fragen und …«
»Essen gibt es erst in etwa einer Stunde. Bis dahin müssen Sie sich schon gedulden«, unterbrach der Häftling. Er schnitt eine Grimasse und neigte leicht den Kopf nach links.
Verwirrt folgte Llewellyn dem versteckten Wink.
An der hellblauen Wand klebte etwa in Hüfthöhe ein winziger schwarzer Fleck.
Der Treiber verstand.
Eine Mikrokamera! Vermutlich auch noch mit einem leistungsfähigen Mikrofon ausgerüstet. Die Garden überwachten die Mondkerker offenbar lückenlos. Das System war hier also anders als in den Toten Räumen, wo man die Gefangenen bewußt sich selbst überließ.
Unter diesen Umständen, durchfuhr es Llewellyn, war an einen erneuten Fluchtversuch nicht zu denken. Die Grauen würden kaum noch den Fehler wie in den Toten Räumen begehen und die Häftlinge längere Zeit sich selbst überlassen.
Vermutlich wurden die Aufnahmen der winzigen elektronischen Spione laufend von einem Computer überwacht.
Morgenstern erriet seine Gedanken. »Big Brother steht oben in der Zentrale von Lunaport«, erklärte er sibyllinisch. »Keine Sorge, wir können über alles reden und tun und lassen, was wir wollen, aber gewisse Handlungen werden … äh … nicht geduldet.«
»Wer ist Big Brother?« fragte Llewellyn verwirrt.
Morgenstern winkte ab. »Vergessen Sie es. Ein altes Schlagwort aus der irdischen Vergangenheit. Früher war ich Historiker, wissen Sie. Nur nebenbei, zur Entspannung, aber … Nun, Big Brother ist der Zentralcomputer von Lunaport.«
Tausend Fragen brannten dem Riemenmann auf der Zunge, aber Morgenstern erhob sich abrupt und machte eine auffordernde Handbewegung.
»Der Psyter erwartet Sie, Llewellyn«, erklärte er leise. »In der Gemeinschaftshalle. Dort bekommen Sie übrigens eine Mahlzeit – sobald der Servicemat sich dazu entschließt. Und so lange …« Er griff in die Seitentasche seiner peinlich sauberen, grob zusammengenähten Kunststoffjacke, holte einen zweiten Proteinriegel hervor. »Nicht sehr schmackhaft, aber das Beste, was Ihnen Luna derzeit anbieten kann.«
Dankbar nahm der Treiber die knochenharte, fingerlange Stange entgegen. »Wer ist dieser Psyter?« fragte er. »Ich dachte, es gibt keine Psyter mehr. Psyta wurde vor Jahren vernichtet.«
Morgenstern runzelte irritiert die Stirn. »Ich dachte, Sie wüßten das.«
»Nein«, entgegnete der Riemenmann knapp und kaute auf dem geschmacksneutralen Proteinriegel. »Ich habe noch nie von ihm gehört.«
»So?« machte der kleine Mann. Er schien nicht gewillt, die Identität des Unbekannten aufzudecken. Unvermittelt drehte er sich um und trat zur Tür. »Worauf warten Sie noch?«
Llewellyn 709 folgte ihm achselzuckend.
Auf dem Korridor stieß er fast mit David terGorden zusammen.
»Dav …«, begann der Riemenmann und besann sich gerade noch rechtzeitig. Mit einem Lachen versuchte er, seinen Fehler zu überspielen. »Hallo, Ishmail«, sagte er dann hölzern. »Schön, dich zu sehen!«
David alias Ishmail Tout lächelte mit leisem Spott. »Eine äußerst originelle Begrüßung«, stellte er fest. »Und dazu so ehrlich.«
»Keine Schmeicheleien«, bat der Riemenmann. »Wo stecken die Mädchen?«
Morgenstern kicherte. »Ihre Räume sind leer«, verkündete er. »Teschnapur muß sie bereits abgeholt haben. Soviel zum schwachen Geschlecht.«
terGorden warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ich kann mich an einen Mann erinnern, der sich über mich gebeugt hatte, als ich für einige Augenblicke aus der Bewußtlosigkeit erwachte. Sein Gesicht war voller kleiner Narben …«
»Das war
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