Die Terranauten 013 - Der Fremde
sondern um die Einhaltung von Vorschriften.
Nach ihrem Vortrag wies Queen Sari Oon auf diesen Umstand hin. Sie zitierte Auszüge aus der »Dienstanweisung für Begegnungen mit raumfahrenden Extraterrestriern«.
Die Dienstanweisung betraf nur in einzelnen Punkten ihren konkreten Fall. Diese Punkte faßte Queen Sari Oon am Ende mit eigenen Worten zusammen:
»Es sollte vermieden werden, die Menschheit als eine Rasse von Kriegern darzustellen. Vielmehr muß deutlich sein, daß die Grauen Garden ein wichtiges Regulativ in der gesellschaftlichen Existenz und der Gemeinschaft sind. Auch bei Gefahr für Leib und Leben dürfen kriegerische Handlungen niemals begonnen werden. Der Einsatz von Waffen wird nicht nur aus vorgenannten Gründen vermieden, sondern auch unter einem anderen, sehr wesentlichen Aspekt: Stellt sich die extraterrestrische Rasse als aggressiv heraus, muß sie nicht gleich bei der ersten Begegnung die Kampfkraft unserer Truppen kennenlernen. Sie könnte sich sonst entsprechend darauf einstellen und somit zu einer echten Bedrohung werden.«
Queen Sari Oon machte eine Kunstpause. Dann sprach sie weiter: »Regel eins besagt: Wir haben Zurückhaltung zu üben. Regel zwei: Darüber hinaus muß alles getan werden, den Fremden nichts zu offenbaren, was von Bedeutung sein könnte. Regel drei: Umgekehrt gilt es, möglichst viele Informationen zu bekommen. Regel vier: Der Kontakt muß so verlaufen, daß einer späteren Kooperation Rechnung getragen wird.«
Ihre Blicke wechselten zwischen den Zeilen in der Dienstanweisung und den Anwesenden und blieben schließlich an Queen Ann hängen.
Die Unglückliche dachte: Das Urteil ist gefällt. Jetzt erfolgt die Verkündigung. Das Opfer steht bereit.
Es war weder bitter noch selbstironisch, sondern nur eine nüchterne Einschätzung der eigenen Lage. Queen Sari Oon ließ sich Zeit. »Ihre Stellungnahme, Centurio!« Queen Ann sprach, und ihre Stimme klang klar und unbeteiligt wie die eines gefühllosen Automaten.
»Der Feuerbefehl meinerseits war ein krasser Verstoß gegen die Dienstanweisung. Ich kann zu meiner Entschuldigung nur anführen, daß ich berechtigterweise annehmen mußte, es handele sich um eine aggressive Handlung von Seiten einer geheimen und verbotenen Vereinigung, den Terranauten. Was die einzelnen Punkte betrifft, so muß hier gesagt werden, daß wir durchaus nicht die Kapazitäten unserer Kampfkraft ausgeschöpft haben. Sämtliche Schilfsführer handelten im Vertrauen auf meine Entscheidung. Diese Entscheidung war falsch. Als Folge davon zerriß der Kontakt mit einer raumfahrenden Rasse, noch ehe er begonnen hat.«
Jemand meldete sich zu Wort. Queen Ann blickte nicht einmal hin. Sie hörte nur: »Wir alle haben die Aufzeichnungen. Mußte das Erscheinungsbild des unbekannten Objektes nicht negative Folgen nach sich ziehen? Inzwischen wissen wir, daß wir einem Trugbild aufgesessen waren, erzeugt durch eine fremdartige Technik des Ortungsschutzes. Wir hätten den Fremden überhaupt nicht sehen sollen. Das bedeutet doch nur, daß der Besucher kriegerische Absichten hatte.«
Queen Oon erhob sich von ihrem Sitz. »Die Entscheidung wird gefällt und verkündet: Die ROTHSCHILD wird zum Kurier-Schiff bestimmt und fliegt sofort zur Erde. Der Lordoberst und das Konzil müssen in Kenntnis gesetzt werden. Bis auf eine Antwort von der Erde wird keine Anklage erhoben – gegen niemanden!«
Queen Ann hätte erleichtert aufatmen können. Sie war gewissermaßen mit einem blauen Auge davongekommen. Doch sie wußte: aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
Was die Zukunft betraf, war sie alles andere als zuversichtlich.
Fast hatte Queen Ann befürchtet, man würde sie als Kurier abstellen, doch das erschien der führenden Queen offenbar wenig ratsam.
Nicht, daß sie Queen Ann nicht vertraut hätte. Ein Mitglied der Grauen Garden hätte niemals gegen einen Befehl verstoßen – auch wenn dieser sich gegen das eigene Leben richtete.
Schuld daran war weniger eine besondere Veranlagung, sondern eben jener Gehirneingriff, den keine Macht der Welt wieder rückgängig machen konnte.
Sie waren sogar stolz darauf!
Ein Außenstehender hatte einmal sarkastisch behauptet: »Kein Wunder – etwas anderes blieb ihnen schließlich nicht übrig!«
Zu seinem Glück war man seiner von Seiten der Grauen Garden nicht habhaft geworden.
*
Eine Pause war fällig. Zwei Stunden hatte das telepathische Gespräch zwischen Karel Krystan und Cantos gedauert. Es wurde keinem von beiden
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