Die Terranauten 065 - Die Lebensbringer
Gesellschaft noch unendlich weit von diesem Ende der »Systemevolution« entfernt war. Er würde zur Erde zurückkehren und den Hitzköpfen unter den Umstürzlern klarzumachen versuchen, daß auch sie keine »Geschwüre« sind und daß ihre Revolution nur einen winzigen Schritt in der Gesamtentwicklung darstellt.
Nach diesem vergeblichen Versuch würde er sich wahrscheinlich mit der Ideologie der Terranauten beschäftigen und die Erfahrung machen, daß diese Organisation bereits ähnliche Wertvorstellungen wie die Carmas besaß.
Es war ein besonderer Zynismus des Schicksals, daß die Carmas von solchen Entwicklungen in den Reihen der Menschheit nicht einmal etwas ahnten. Ihr Menschheitsbild war verzerrt, und dieses Zerrbild wurde nur noch genährt, wenn sie aus dem Fenster blickten und das drohende Glosen von Oxyd sahen.
Es gab im Carma-Parlament eine Art Krisenstab, der sich mit der Bedrohung sachlich auseinandersetzte. Jedenfalls nahmen die Carmas an, daß sie in dieser Beziehung sachlich waren.
Einhundert Carmas hatten sich versammelt. Es herrschte Aufregung, die sich in gespenstischer Stille abspielte. Die Carmas bewegten ihre Fühler. Ihre »Höraugen« rollten. Die Lederhaut knarrte.
Die Fensteröffnungen waren ungeschützt. Das war üblich – so üblich wie das Fehlen von Heizung. Es kümmerte die Versammelten überhaupt nicht, daß in dem Versammlungsraum immerhin Temperaturen von minus zwanzig Grad herrschten, da der Raum sich auf der Winterhalbkugel des Planeten Coul befand.
Die Versammelten warteten auf Nachricht des Forschungskommandos, das sich Oxyd genähert hatte. Diese Nachricht blieb aus.
Kerym Sahs, der Präsident der Carmas, führte den Vorsitz über die Versammlung. Es fand dies in der typischen Carma-Art statt. Kerym saß mitten unter den anderen. Kein Uneingeweihter wäre auf den Gedanken gekommen, daß hier überhaupt jemand den Vorsitz führte.
Alle hatten ihre stämmigen Beine angewinkelt und hockten auf dem flachen Boden. Der Wind pfiff herein, orgelte durch die Fensteröffnungen und stimmte ein schauriges Konzert an. Keiner störte sich daran. Die Unterhaltung wurde nicht beeinträchtigt.
Alle kamen zu dem Schluß, daß es das Forschungskommando nicht mehr gab. Es mußte den furchtbaren Energien der »Todessphäre«, wie man Oxyd bei den Carmas nannte, zum Opfer gefallen sein.
»Die Nachbarzivilisationen sind in Kenntnis gesetzt«, signalisierte Kerym Sahs. »Man sagte uns Unterstützung zu, aber darauf können wir nach Lage der Dinge nicht warten!«
Er spürte die Blicke der »Höraugen« und auch die Gefühle der Versammelten. Es war chaotisch, weil sie das widerspiegelten, was sie dachten. Sie hatten alle Angst.
Kerym Sahs auch. Er schaffte es nicht, das vor den anderen zu verheimlichen.
»Wieso nicht?« fragte einer an. Kerym hätte es beinahe übersehen.
»Das ist ganz einfach: Weil uns die Zeit dazu fehlt! Bis unsere Freunde uns geeignete Raumschiffe geschickt haben, um uns bei der Evakuierung zu helfen …«
»Evakuierung?« echoten die anderen.
»Ja, ein Gedanke der Schiffsführervereinigung. Falls wir die tödliche Gefahr nicht abwenden können, müssen wir sämtliche Planeten evakuieren.«
»Ein Wahnsinn!«
»Das haben die Schiffsführer inzwischen ebenfalls eingesehen. Man kann nicht einfach zweiundzwanzig besiedelte Planeten räumen. Das würde Jahrzehnte beanspruchen und unvorstellbare Flottenkapazitäten erforderlich machen. Es bleibt also nur ein anderer Weg.«
»Von wem ist der Vorschlag?«
»Von mir selbst!«
»Laß es uns ›hören‹, Kerym!«
Er zögerte. Kerym Sahs war bekannt für seine ungewöhnlichen Äußerungen. Stets hatte er dabei beweisen können, daß er dennoch den Gesetzen der Carma-Logik folgte, auch wenn es zunächst gar nicht so erschien.
Diesmal hatte er Bedenken. Sein Denken wurde von der Angst beeinträchtigt. Das war nicht gut.
Aber er mußte es den anderen mitteilen. Sie wollten es so. Er hatte sie darauf aufmerksam gemacht und mußte nun die Konsequenzen daraus ziehen.
»Da wir nicht alle Carmas evakuieren können, müssen wir uns auf eine Auslese beschränken!«
Zunächst weigerte ihr Verstand sich entschieden, den Sinngehalt der Signale zu begreifen. Als dann die Erkenntnis in die Bewußtseine der Anwesenden sickerte, was Kerym Sahs da von sich gegeben hatte, richteten sich die Verständigungsfühler steil auf und begannen zu vibrieren: äußerstes Zeichen der Erregung!
Kerym Sahs wurde von der telepathisch mitgeteilten
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