Die Terranauten 086 - Die Gehetzte von Terra

Valdec.
    »Wenn wir die Terranauten durch einen Angriff auf den Planeten der Drachenhexen und den neuen Urbaum ablenken«, führte Frost weiter aus, »so haben wir freie Hand für eine Strafexpedition gegen Aqua. Wir müssen diesen aufgeblasenen Humos endlich zeigen, daß sich die Zeiten geändert haben.«
    Valdec winkte ab.
    »Aqua und der Bund haben Zeit«, sagte er. »Unser vordringlichstes Ziel ist die Zerstörung des Urbaums und die dadurch bedingte erhebliche Schwächung der Terranauten.
    Die überlebenden Mitglieder der Loge von der MARTIN LUTHER KING werden uns dabei noch gute Dienste leisten.«
    »Soll ich das übernehmen?« erkundigte sich Frost beflissen.
    »Kümmern Sie sich um Lucci und Chan de Nouille«, wies ihn der Lordoberst an. »Adzharis hat noch etwas Zeit. Und bereiten Sie alles für die Schauprozesse vor. Wir dürfen so bekannte Integrationsfiguren wie Tyll, Dorf oder Lucci nicht am Leben lassen.«
    Frost sah auf.
    »Aber Sie laufen dann Gefahr, Märtyrer zu schaffen«, wandte er ein.
    »Nein«, entgegnete Valdec fast amüsiert. »Wir werden die Prozesse so gestalten, daß die führenden Kader der Opposition sämtlich als Verräter und Überläufer dastehen. Ihre Gefolgsleute selbst sollen ihren Tod wünschen.«
    »Das erscheint mir eine kluge Lösung zu sein«, lächelte Sicherheitsmanag Frost.
    Valdec erwiderte das Lächeln.
    Dann sah er auf seinen Chronometer. »Ich muß weiter«, murmelte der Lordoberst. »In zwei Stunden habe ich eine Unterredung mit Zarkophin auf der Ziolkowski-Werft. Es gibt offenbar Probleme bei der Fertigung der neuen Zusatzeinrichtungen der Triebwerke.«
    Frost wölbte die Brauen.
    »Ich dachte, das Zarkophin-Schild sei ausgereift …«
    »Die Umbauten auf der Werft nehmen viel Zeit in Anspruch. Unter dem Termindruck sind einige Arbeiten fehlerhaft ausgeführt worden.« Valdec seufzte. »Dadurch gerät das gesamte Programm in Gefahr.«
    Frost erhob sich. »Zarkophin wird eine Lösung finden«, versicherte er. »Bisher konnten wir uns auf ihn verlassen.«
    »Ja«, sagte Valdec.
    Der Baumeister, dachte er nüchtern, ist einer meiner wertvollsten Mitarbeiter. Ohne ihn, ohne sein Zarkophin-Schild, den Blitzableiter-Effekt, wären wir noch immer auf die Terranauten angewiesen und den Extraterrestriern ausgeliefert.
    Doch das verbesserte Triebwerk erlaubt uns, endgültig auf die Treiber-Raumfahrt zu verzichten.
    Und wenn die Fremden unser legitimes Recht auf Ausbreitung unserer Interessensphäre als Vorwand für einen Angriff nehmen … Nun, die Kaiserkraft-Blitze werden ihre Raumsektoren so gründlich vernichten, daß selbst nach Jahrmillionen dort kein Leben mehr möglich sein wird.
    Valdec straffte sich, grüßte Frost kurz zum Abschied und verließ dann den Konferenzraum in den unterirdischen Gewölben der Berliner Kaiser-Zentrale.
    Der Gleiter, der ihn zur Halbinsel Krim bringen sollte, wartete bereits. Und nach dem Gespräch mit Zarkophin erwartete ihn ein anstrengender Termin mit Ludomir Chelskij, dem neuen Wirtschaftsmanag.
    Die Übernahme der irdischen Konzerne durch Kaiser und die Errichtung eines gigantischen Monopoltrusts, der schlußendlich das gesamte Sternenreich erfassen sollte, machte allmählich Fortschritte.
    Bald würde es nur noch den Kaiser-Konzern geben.
    Und an seiner Spitze Max von Valdec.
    Plötzlich fühlte sich der Lordoberst frei von Müdigkeit, als hätte er zwölf Stunden tief geschlafen.
     
    *
     
    Die Gejagten
    Manuel Lucci blickte hinauf zur Decke, die glatt und von der Farbe des Sommerhimmels war, und nichts deutete darauf hin, daß auf ihr fünftausend Meter Salzwasser lasteten.
    Atlantica.
    Protopinsel in der Mitte zwischen Europa und Nordamerika, interkontinentaler Verkehrsknotenpunkt und über die Grenzen des Sonnensystems hinaus bekannte Vergnügungsstätte.
    Atlantica, wo die unterirdischen Vakuumröhren der MHD-Bahnen zusammenliefen und jährlich Abermillionen Passagiere umgeschlagen wurden. Futuristisches Soho, perfektioniertes Disneyland und schrankenlose Reeperbahn in einem.
    »Kommen Sie, Manuel«, rief ihm Kardelein mit gepreßter Stimme zu.
    Kardelein hatte den Gang bis zur Biegung durchschritten und winkte nun ungeduldig.
    Der Mann war untersetzt, vollbärtig, kräftig. Er trug einen fantasievollen Plastikoverall, der bauschig genug war, um den klobigen Laser zu verbergen, der sich in seinem Schulterhalfter befand.
    Kardelein war ein Treiber.
    Und ein Grauer, fügte Lucci in Gedanken hinzu.
    Er setzte sich wieder in Bewegung