Die Terranauten 086 - Die Gehetzte von Terra
Edinburgh geschieht, ist kein heroischer Widerstandskampf, sondern Wahnsinn. Verständlich, aber so falsch, daß sich mir die Haare sträuben. Auch die F.F.D.E. kann den Kaiser-Garden nicht lange Zeit standhalten. Valdec wird jeden Aufständischen töten lassen. Als Fanal.
Die Niederlage in Edinburgh wird die Opposition demoralisieren und schwächen und den Nimbus der F.F.D.E. zerstören. Die Bewegung wird anschließend wieder in einzeln agierende Gruppen zerfallen. Sollen die Gewerkschaften in diesen Sog mit hineingeraten?«
Smid bewegte sich unbehaglich.
Er wollte etwas sagen, aber die Arbiter-Führerin ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Die Gewerkschaften«, sagte sie grimmig, »werden langfristig zu den stärksten Gegnern Valdecs werden – allein aus dem Grund, weil sie ihre Schlagkraft zumindest teilweise behalten.
Valdecs Macht ist jetzt, kurz nach der Invasion, so paradox es auch klingen mag, auf dem Höhepunkt. Später, wenn er sich und seine Herrschaft etabliert hat, werden sich die eigentlichen Probleme zeigen.
Die ungelöste Versorgungsfrage. Das Verhältnis zum Bund der Freien Welten und den Konzern-Kolonien innerhalb der 800-Lichtjahr-Kugel. Der ungeklärte Verbleib der 4. und 5. Flotte der alten Grauen Garden. Die Extraterrestrier. Und vor allem – die Treiber und Terranauten.«
Christin Dorf lächelte jetzt.
»Der Bissen ist zu groß für Max von Valdec. Er hat nicht begriffen, wie sehr sich die Zeiten verändert haben. Politisch und militärisch denkt er noch immer in den Bahnen des Jahres 2499. Sein Weltbild ist starr, unabänderlich und verdammt paranoid. Um an der Macht zu bleiben, muß er sich den Gegebenheiten anpassen, doch dies kann er nicht.
Er wird fallen.
Nicht sofort, aber früher oder später. Unsere Aufgabe ist es, diesen Prozeß zu beschleunigen und zu verhindern, daß es noch mehr Tode gibt.«
»Trotzdem«, sagte Hanzin Smid trotzig, »der Preis ist zu hoch. Ich glaube immer noch, daß energischer Widerstand zu diesem Zeitpunkt das Schlimmste verhüten kann. Wenn es zu einem koordinierten, weltweiten Generalstreik gekommen wäre …«
»Dann«, vollendete Dorf, »wären die Hälfte unserer Kollegen tot, die andere Hälfte zur Zwangsarbeit verurteilt. Begreifst du nicht, Hanzin? Valdec ist nicht mehr mit normalen Maßstäben zu messen. Allein die Ankündigung über RMN, die Kaiserkraft-Raumfahrt zu forcieren … Obwohl wir inzwischen alle wissen, wie die kosmischen Zivilisationen darauf reagieren.
Valdec ist zum Glaubenskämpfer geworden. Zu einem Fanatiker. Wenn du Zeit erübrigen kannst, dann schau dich einmal in den Geschichtsdateien um Pol Pot, Hitler, die Kreuzzüge … Dann wirst du sehen, wozu Fanatiker imstande sind, um die Welt ihrem verdrehten Weltbild anzupassen.«
Hanzin Smid räusperte sich.
Rost fluchte seit Stunden vor sich hin und verstummte plötzlich.
Christin Dorf erstarrte.
Und auch unten in der Halle und in allen anderen Hallen auf dem Werksgelände des GWW-Konzerns hörten die Arbiter in diesem Moment die lautlose, klebrige, hypnotische Stimme:
Alles ist gut, sagte sie. Habt keine Angst. Wir sind Freunde. Gute Freunde. Habt keine Angst. Fürchtet euch nicht. Kehrt an eure Arbeitsplätze zurück. Antwortet ehrlich, wenn eure Freunde von den Kaiser-Garden zu euch kommen und Fragen stellen. Habt keine Angst. Alles ist gut. Valdec ist euer Freund und euer Beschützer. Es gibt keine Gewerkschaften mehr. Sagt euren Freunden, wer dazugehörte. Kommt zu uns, wenn ihr zur Führungsspitze gezählt habt. Alles ist gut. Habt keine Angst. Valdec ist euer Freund.
Die Stimme war eindringlich und überzeugend.
Christin Dorf lächelte Rost und Smid an, und die beiden Männer lächelten zurück.
Natürlich ist Valdec unser Freund, dachte Dorf vergnügt. Wie habe ich das nur jemals vergessen können!
Langsam stand sie auf. »Ich gehe hinaus«, sagte sie heiter. »Ich muß zu unseren Freunden. Ich habe soviel zu erzählen.«
Smid nickte und legte ihr seinen Arm um die Schulter. »Ich komme mit. Bei den Sternen, wie dumm wir doch gewesen sind. Welch ein Glück, daß wir so gute Freunde haben. Gute Freunde.«
»Endlich arbeiten«, seufzte Rost.
»Endlich«, nickte der Techniker und schlug die Wartungsklappe zu. »Ich wußte doch immer, daß Valdec ein famoser Kerl ist. Der läßt keinen verkommen.«
Lächelnd, vergnügt, fast glücklich verließen Christin Dorf und Hanzin Smid die Kontrollkabine, um nach draußen zu ihren Freunden zu gehen.
Auf einem der
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