Die Terranauten 089 - Der Kaiser von Berlin
Viren dahingerafft. Die Chai waren gründliche Wesen. Gründlich über den Tod hinaus. Der Pure warf sich zur Seite, als er das Knirschen vernahm und hinter einer rußigen Bodenerhebung der primitive, elektronisch gesteuerte Killerautomat hervorschoß.
Der Automat war schmal und flach und bewegte sich auf flexiblen Kunststoffketten vorwärts. Die Metallfront lief zu der dunklen, drohenden Mündung eines Granatwerfers zu.
Auch eine Schöpfung der Chai.
Noch dazu eine schlechte, sagte sich der Pure spöttisch.
Ein Dröhnen und Fauchen.
Die Granate schoß aus dem starren Rohr und beschrieb eine scharfe Kursänderung, als der Infrarotsuchkopf feststellte, daß der Pure seine Position gewechselt hatte.
Der Pure wurde des albernen Zwischenspiels überdrüssig.
Psionisch zerstörte er die Granate und versetzte dem Killerautomat einen psychokinetischen Hieb, daß er in Myriaden Splitter zerbarst.
Und er rannte weiter.
Vorbei an wunderlichen, verwinkelten Gebäuden, auf denen eine zentimeterdicke Ascheschicht lastete. Durch trümmerübersäte Straßen.
Er roch Rauch und sah im Osten Flammen züngeln.
Industriegelände, erinnerte er sich. Die größte Raffinerie dieses Kontinentes. Stützpunkte der Luftstreitkräfte. Hier und dort Raketenabschußbasen.
Der Regen wusch den Staub von den stillen Straßen.
Es war dunkel geworden. Die Wolken bedeckten nun den ganzen Himmel. Wenn es blitzte, flackerte Geisterlicht über der Stadt.
Dann schienen sich die Schatten zu regen und zu strecken, dann kehrte unwirkliches, gespenstisches Leben in die Metropole ein.
Der Pure Halvcwar knurrte nur.
Er war frei von Angst.
Frei von Illusionen und Mitleid.
Die Chai, die herrschende Spezies dieser Welt am äußersten Rande des Beobachtungsgebietes der Varen Navtem, hatten selbst über ihr Schicksal entschieden.
Wirtschaftliche Fehlentwicklung und aus Haß, Angst und Profitdenken diktierte Hochrüstungspolitik hatte schon oft auf der Welt der Chai zu Kriegen geführt.
Kein Umdenken war erfolgt, als sie in das nukleare Zeitalter eintraten.
Die alten Verhaltensweisen führten zu den alten Fehlern. Aber atomar bewaffnete Interessengruppen durften keine Fehler machen. Nicht einmal einen einzigen.
Eine Geröllbarriere.
Glassplitter, die im Irrlicht der Blitze wie Diamanten funkelten. Krumme Metallträger, wie von Riesenhand verbogen. Hochhäuser, zwanzig Meter über dem Erdboden von einer gigantischen Axt gekappt.
Betonschnee auf den breiten Gehwegen.
Der Pure Halvcwar sprang. Elegant segelte er über die Barriere hinweg, prallte federnd auf der Fahrbahn auf und stürmte weiter.
Er war seinem Ziel ganz nahe.
Der obere Teil seines hochempfindlichen Sehkranzes blickte hinauf in den düsteren Gewitterhimmel.
Zwischen den Wolken, deren Massiv hin und wieder von wütenden Böen zerrissen wurde, entdeckte er die winzige Scheibe einer Mushni.
Der Pure Halvcwar knurrte erneut.
Doch es klang nicht unfreundlich.
Die Mushni waren zurückhaltende Geschöpfe, an denen selbst ein Sheyatsche keinen Falsch feststellen konnte.
Ein PSI-Impuls traf den Puren.
Probleme?
Nein. Die Antwort des Puren war karg, knapp, nüchtern – ganz wie sein Charakter.
Die Mushni zog sich zurück, sprang wieder hinauf in den Orbit zu den Schalen der anderen Sternenreiter, die sich in diesem System eingefunden hatten.
Und alles wegen der Chai!, durchfuhr es den Sheyatsche. Sterne, ferne Sterne, kann es sein, daß die Varen Navtem von der Perfektion der Chai beeindruckt sind?
Er übersprang ein krummes, insektenhaft zartes Gewirr aus metallenen Schienen. Reste eines städtischen Hochbahn-Geleises, das von der Druckwelle der H-Bomben-Explosion aus seiner Verankerung gelöst worden war und sich nun wie ein endloser Stahlwurm durch die Metropole zog.
Im Westen waren die Häuser verschwunden. Nicht einmal Ruinen standen noch dort.
Ein Krater, tief, kohlrabenschwarz, aus der Tiefe rotes, boshaftes Licht ausströmend.
Der Pure spürte die Hitze, die von dem Bombenkrater ausging.
Sie schadete ihm nicht.
Nahm sie noch mehr zu, quoll sein biotronischer Körperflaum auf und bildete einen Panzer, in dem es kühl und sicher blieb.
Während der Pure lief, dachte er wieder an die Chai, die Mushni und die Varen Navtem.
Die Entität, so wußte der Pure – auch wenn die Varen Navtem ihre Geheimnisse eigensüchtig hüteten –, die Entität schätzte Perfektion. Sie war eine der wenigen hochentwickelten Kulturen, die den Technischen Weg konsequent
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