Die Teufelsbibel
dich heute gut gehalten, mein junger Bruder«, sagte Martin und lächelte. Pavel sah den Schweiß auf der Stirn des Mannes und blinzelte, als dessen goldenes Kruzifix Reflexe warf, aber hauptsächlich sah er das Lächeln. Er spürte, wie er vorsichtig zurücklächelte. »Du hast Ruhe bewahrt, und du warst der Einzige, der bemerkte, dass die Frau noch atmete.«
»Wenn du es sagst, Vater Superior«, stammelte Pavel. Dann: »Buh hat sie zuerst gesehen; ich wollte ihn auf die Beine ziehen und ihm seine Würde zurückgeben, doch er deutete immer in ihre Richtung und sagte: ›Dort, dort drüben, dort drüben, sie lebt, sie lebt!‹«
»Wer ist Buh?«, fragte der Prior.
Pavel deutete verlegen hinter sich.
»Bruder Petr«, sagte der Prior. »Stimmt das, Bruder Petr? Du hast dein Herz Bruder Pavel anvertraut?«
»U-u-u-und«, stammelte Buh und zeigte auf den Prior, »u-u-u-u-unnnd …!«
»Und mir?« Der Prior lächelte. »Vertraue zuerst auf Jesus Christus, Bruder Petr; dann auf den heiligen Benedikt; und dann auf die Brüder um dich herum. Das ist die richtige Reihenfolge.«
»Gnnn …«, machte Buh. Er nickte heftig. »Gnnnn …!«
»Vater Superior«, sagte der Torhüter, »bei allem Respekt, die beiden sind Novizen.«
»Der Schritt vom Novizen zum Bruder ist ein Schritt des Glaubens und des Verstehens«, sagte der Abt. »Ich zweifle nicht daran, dass die beiden den rechten Glauben haben. Ich habe heute gesehen, dass sie auch den nötigen Verstand besitzen.«
»Der da«, sagte Bruder Tomáš und zeigte auf Buh, »hat noch nicht erkennen lassen, dass er auch nur den geringsten Verstand besitzt.«
»Er hat Grips genug, sich auf seinen Freund zu verlassen, und der hat Verstand für zwei. Nicht wahr, Bruder Pavel?«
Pavel hatte Verstand genug, den Kopf zu schütteln und zu murmeln: »Ich bin nur ein unbedeutender Diener des Herrn.«
»Das kannst du nicht machen, Vater Superior«, sagte Bruder Tomáš.
»Morgen ist die Profess«, sagte Prior Martin. »Ich habe es so beschlossen. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Hört zu, Bruder Pavel, Bruder Buh: Ich biete euch an, morgen die Profess abzulegen. Anders als sonst üblich beim Übertritt aus dem Noviziat wird es keine zeitliche Profess sein. Wenn ihr morgen den Eid ablegt, wird es für immer sein. Ihr habt die Nacht über Zeit, es euch zu überlegen.«
»Aber – warum …?«, stammelte Pavel.
»Weil ihr, wenn ihr euch so entscheidet, gleich danach die Aufgabe übertragen bekommt, die Welt vor dem Wort des Teufels zu schützen. Es müssen sieben Kustoden sein, die das Geheimnis unserer Gemeinschaft bewachen. Nach heute sind es nur noch fünf – gerade genug, um das Böse in Bann zuhalten, aber nicht genug, um die Macht des Buches auf lange Sicht zu binden. Hast du verstanden, was ich gesagt habe, Bruder Pavel?«
Die wichtigste Aufgabe, die ein Benediktiner in dieser Welt erfüllen konnte. Die wichtigste Aufgabe – die wichtigste Aufgabe – – In Pavels Kopf drehten sich die Gedanken, ohne Fuß fassen zu können. Er hörte, wie jemand: »Ja, ich habe verstanden!«, sagte, und stellte fest, dass er es selbst gewesen war.
»V-v-v-v-v…«, echote eine tiefe Stimme hinter ihm.
Der Prior lächelte. Er wandte sich um.
»Schön«, sagte er. »Es soll geschehen, wie ich gesagt habe.«
»Ich gehorche«, sagte Bruder Tomáš zwischen den Zähnen.
»Und – Bruder Tomáš? Was ist eigentlich aus dem Kind geworden?«
Der Torhüter kniff die Augen zusammen. »Eine Frau aus dem Dorf hat sich seiner angenommen. Sie hat ihr eigenes Kind vor ein paar Wochen verloren, aber da ihr die Milch schon eingeschossen war, stillt sie es.« Bruder Tomáš zögerte einen winzigen Moment. »Das Kind hat keinen Vater und das Weib keinen Mann.«
»Du hast klug gewählt, Bruder Tomáš. Ich möchte, dass du Folgendes tust: Such die Frau auf und nimm ihr das Kind weg. Bestimme einen Knecht aus dem Dorf; dieser soll es in den Wald legen und seinem Schicksal überlassen. Solange es lebt, wird jemand Fragen stellen; solange jemand Fragen stellt, ist unser Geheimnis nicht sicher. Ich werde dir Geld geben, für die Frau und den Knecht. Der Betrag wird reichlich sein; er soll sie in der Welt ausstatten und daran hindern zu plaudern. Das alles ist bis zur nächsten Prim erledigt. Hast auch du mich verstanden?«
Das Gesicht des Priors war regungslos, doch Pavel hätte schwören können, dass es in den letzten Augenblicken um Jahre gealtert war. Die Augen des alten
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