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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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kann darüber so oder auch anders denken.«
    Sein Hochmut brach plötzlich durch. Auf der gespannten Haut traten die Knochen seines Kiefers deutlich hervor.
    »Sie bringen das Kind in Gefahr«, sagte er drohend zu Atan.
    Dieser erwiderte ausdruckslos seinen Blick.
    »Das Risiko werden wir nicht eingehen.«
    Sun Lis Stimme klang schneidend.
    »Sie werden das Gelände nicht lebend verlassen.«
    »Es sei denn, Sie verhalten sich ruhig.«
    Atan trat schnell hinter ihn und schlug ihm mit der Pistole an den Kopf, eine geschulte, äußerst knappe Bewegung. Kunsang stieß einen angstvollen Laut aus. Sun Li kippte seitwärts vom Stuhl. Atan fing ihn auf, bevor er zu Boden ging. Er schleifte ihn durch den Raum, warf ihn bäuchlings auf das Feldbett und sagte zu Kunsang, über seine Schulter hinweg:
    »Er wird das aushalten.«
    Er steckte die Waffe in den Halter, holte einen Strick aus der Tasche. Er brauchte kaum eine Minute, bis er Sun Lis Hände auf den Rücken gefesselt und an der Eisenstange des Bettes festgeknotet hatte. Ein paar Socken hingen an einer Leine zum Trocknen. Atan verband ihm mit einer die Augen und stopfte ihm die zweite in den Mund. Dann raffte er mit einem Griff die verstreuten Papiere auf dem Tisch zusammen und stopfte sie in seine Brusttasche. Er nahm die Pistole hervor und wies wortlos zur Tür. Ich packte Kunsangs Hand. Sie war eiskalt. Wir traten nach draußen in die Dunkelheit.
    Kein Mensch in Sicht, die Hunde waren verschwunden. Im Hintergrund stieg das Licht der Scheinwerfer auf geheimnisvolle Weise, wie es schien, aus dem Boden empor. Darüber war der Himmel pechschwarz. Kein Licht in der Kantine, nirgendwo ein Geräusch. Nur die unterirdischen Maschinen surrten. Wir rannten los.
    Scheinwerfer flammten auf, diesmal in unserer Richtung. Das grelle Licht schien mir prall in die Augen. Mir war, als ob die Strahlen mich festhielten, ich sah nur noch blendenden Nebel.
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    Gleichzeitig ertönte eine Art Kreischen, der Lärm schien von allen Seiten zu kommen, den ganzen Platz mit seinem Gellen zu erfüllen.
    Atan rief etwas, aber der Lärm ließ kein Wort zu mir dringen.
    Endlich erreichte seine Stimme mein Ohr.
    »Lauf, Tara!«
    Ich rannte, Kunsang hinter mir herziehend, mehr oder weniger parallel zum Gebäude. Das Mädchen hielt sich den Arm vors Gesicht. Aus der bebenden Lichtkulisse lösten sich Gestalten. Wir kamen nicht schnell genug vorwärts. Atan lief hinter uns, deckte unsere Flucht. Ohrenbetäubender Lärm ging blitzartig los. Ich hatte das Gefühl, daß mein Trommelfell platzte. Das Maschinengewehrfeuer ratterte an die Betonmauer, in deren Schatten wir liefen. Durch einen Lautsprecher verstärkt, wurden Befehle in chinesischer Sprache über den Platz gebrüllt. Kunsang stolperte. Ich zerrte sie hoch. Atan warf sich gegen die Mauer und schoß zurück.
    Meine Lungen flogen, ein herber Geschmack von verbranntem Pulver war in meinem Mund. Kunsang lief gut, doch ermüdete allmählich, keuchte und taumelte. Atan schlug immer wieder Haken; ich hörte das trockene, dumpfe Geräusch seiner Pistole und wußte, daß er die Taschen voller Patronen hatte. Es ist schwierig, auf Menschen zu zielen, die geduckt im Schatten rennen. Die Kugeln pfiffen an unseren Köpfen vorbei, zu hoch. Doch jetzt kamen die Schüsse tiefer, mähten bereits den Boden vor uns, warfen kleine Erdspritzer auf, die wie ein dünner Regen an unsere Beine prasselten. Die Wachen rannten mit hochgehaltener Waffe über den Platz, um uns den Weg abzuschneiden. Ein Geschoß stieß an das Metallteil eines Baggers und prallte mit einem spitzen Laut ab.
    Endlich erreichten wir die Böschung. Ich schnappte nach Luft, meine Lungen brannten, mit jedem Atemzug wurde es schlimmer. Kunsang klammerte sich an mich, sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
    Völlig ausgepumpt erreichten wir das Flußufer, krochen unter dem Stacheldraht hindurch. Die Wachen waren kaum fünfzig Meter entfernt. Ich sah, wie Atan zurückblieb, sich unter dem Hochspannungsmast duckte und einen Gegenstand hervorholte.
    Blindlings kletterte ich die Böschung hinunter, zerrte Kunsang hinter mir her, half ihr über die schwierigen Stellen. Ein Stein unter meinem Fuß gab nach, ich schlug mir heftig das Knie an; andere Steine sausten prasselnd an mir vorbei. Kunsang stolperte über das Geröll, das durch meinen Sturz gelockert war, stürzte in einem Stein-456
    und Sandregen ab. Einen Atemzug lang blieb sie benommen liegen.
    Humpelnd lief ich zu ihr. Meine Kleider, naß

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