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Die Tibeterin

Die Tibeterin

Titel: Die Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Krankenhaus vorbei. Im Kloster pochten die Trommeln; die tiefen Stimmen der Mönche fielen und stiegen. Die Augen des Reiters richteten sich auf den Tempel mit seinen großen, aus echtem Silber- und Goldblech gegossenen Standbildern, von denen die kostbarsten hinter schweren Scherengittern verschlossen waren.
    Der Eingang zum Wohnsitz des Dalai Lama war durch einen indischen Soldaten aus dem Punjab-Regiment mit aufgepflanztem Bajonett bewacht. Der ließ ungehindert die Pilger durch, wobei er den Reiter etwas länger ins Auge faßte. Ein anderer Soldat trat vor, salutierte und sagte, man könne den Audienzhof nicht zu Pferd betreten. Der Reiter stieg aus dem Sattel. Er winkte einen tibetischen Jungen herbei, gab ihm ein Geldstück und den Auftrag, das Pferd zu bewachen. Der Mann ging durch den Hof, wobei er das linke Bein leicht nachzog. Vor dem Pförtnerhaus traten ihm Beamte entgegen.
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    Ihr Gesicht zeigte Ablehnung und Mißtrauen. Doch der Mann sprach ganz ruhig zu ihnen, und schließlich ließen sie ihn durch. Die Besucher wurden einzeln zu einer Sicherheitskontrolle geführt. Als der Mann an die Reihe kam, gab es einen leichten Aufruhr. Zwei Beamte begannen gleichzeitig, den Fremden zu durchsuchen. Er mußte seinen Mantel ausziehen. Die Beamten brachten ein türkisbesetztes Messer, ein altes, wertvolles Kurzschwert und eine Pistole zum Vorschein. Die Tibeter flüsterten erregt, machten entsetzte Gesichter. Der Mann blieb gelassen, zeigte weder Protest noch Empörung. Ein kurzer Wortwechsel folgte. Man holte einen Sekretär aus dem Empfangsbüro. Ob der Fremde einen Termin habe?
    Der Mann verneinte. Er müsse eine Audienz im voraus beantragen, sagte der Sekretär. Und jetzt sei ein ungünstiger Augenblick: Seine Heiligkeit sei im Begriff, seine Reise in die Vereinigten Staaten anzutreten. Der Fremde solle sich im Herbst wieder melden und einen Termin erbitten. Der Unbekannte sagte, es genüge ihm, an der Massenaudienz teilzunehmen, die nie länger als fünfzehn Minuten in Anspruch nahm. Der Sekretär furchte nervös die Stirn. Er müsse ihn leider bitten, sich von Seiner Heiligkeit fernzuhalten. Der Fremde zögerte, doch nur kurz. Er sei gekommen, sagte er dann, um Seiner Heiligkeit ein Dokument auszuhändigen. Der Sekretär erwiderte, wenn der Fremde ihm das Dokument anvertraue, würde er dafür sorgen, daß Seine Heiligkeit es erhielt. Der Mann blickte dem Sekretär ins Gesichtes war, als ob seine schwarzen Augen ihn durchbohrten. Der Sekretär räusperte sich. Ein spöttisches Lächeln hob die Lippen des Fremden. Er suchte in seiner Brusttasche und brachte ein kleines Paket zum Vorschein, in Plastik eingewickelt und mit einem Gummiband gehalten. Der Sekretär nahm das Paket an sich und gab ein Zeichen. Die Sicherheitsbeamten drängten den Mann zurück. Man händigte ihm seine Waffen aus, die er wortlos wieder an sich nahm. Er warf seinen Mantel über die Schultern, hinkte um die Ecke des Hofes und verschwand. Wind hatte sich aufgemacht; die Kiefern knarrten und schwankten im Luftzug. Der Sekretär öffnete das Paket; zum Vorschein kamen Papiere, mit Blut-und Feuchtigkeitsflecken. In der Mitte steckte eine Kinderzeichnung.
    Sie zeigte ein rotgekleidetes Mädchen auf einem Pferd. Der Sekretär zuckte die Achseln und warf das Paket in den Papierkorb.
    Es gab ein kurzes Gedränge auf der Treppe. Ein respektvolles Raunen ging durch die Anwesenden. Umgeben von zwei seiner Brüder und einigen Würdenträgern kam der Dalai Lama eilig die 470
    Treppe hinunter. Sein für gewöhnlich heiteres Gesicht trug einen merkwürdigen Ausdruck, eine Mischung aus Unruhe und Besorgnis.
    Er ging mit großen, schnellen Schritten über den Teppich, ließ seine Blicke über die Reihe der tiefgeneigten Köpfe wandern. In der plötzlichen Stille erklang seine atemlose Stimme.
    »Wo ist der Mann, der mich gerade sprechen wollte?«
    Da wurde das Schweigen der Menge so tief, daß man meinen konnte, das Rauschen des Windes von den Gipfeln zu vernehmen.
    Und dieses Schweigen hatte nichts gemein mit Erstaunen, sondern mit ehrfürchtigem Schrecken. Der Sekretär verneigte sich und erklärte, daß der Mann keinen Termin gehabt habe und daß man ihn fortgeschickt habe.
    »Schnell! Holt ihn zurück!« fiel ihm der Dalai Lama ins Wort. Sein Wunsch wanderte von Mund zu Mund. Ein paar Beamte liefen los.
    Der Dalai Lama blickte um sich; aus seinen sanften braunen Augen sprach Unruhe.
    »Hat er nichts für mich dagelassen?«
    Der Sekretär stammelte

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