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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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eine schöne Kindheit. Katrin war toll. Sie hat viel mit mir gespielt. Wir hatten einen runden Teppich im Kinderzimmer und haben dort Ringkämpfe drauf gemacht. Katrin war älter, aber ich war wendiger.
    Katrin behauptete: «Das Heim hat dir doch tatsächlich erst mal gut getan, die Kontrolle …»
    Ich weiß gar nicht, ob Katrin nicht zu Ende spricht, oder ob ich nicht zu Ende zuhöre. Ich habe Katrin lieb. Wir haben Radieschen geklaut im Schulgarten. Wir sind Fahrrad gefahren und hatten Puppen, die waren gleich alt, deshalb gingen sie in dieselbe Klasse, in der Puppenschule. Wir haben uns gegenseitig abgekitzelt und dazu gefesselt, wieder mit der hellblauen Wäscheleine. Jeder durfte mal, immer abwechselnd. Das tat weh, aber wir haben gelacht.
    Katrin behauptet: «Also, bis darauf, dass du diesen Patrick kennen gelernt hast … das perverse Schwein! Und ab da hast du uns ignoriert. Bei jedem Besuchstermin …»
    Ich habe ihn sehr geliebt, das perverse Schwein. Und dann war er tot. Katrin habe ich auch geliebt und sie lebt noch. Warum eigentlich? Mein Kakao ist alle. Weil sie mir immer geholfen hat. Sie hat mit mir zusammen den Wohnungsschlüssel gesucht, als ich den mal verloren hatte. Und weil wir lange gesucht haben, sind wir zu spät gekommen, beide. Und dann haben wir Stubenarrest bekommen, beide und haben mit Kastanien gespielt, Oktober.
    Katrin behauptet: «Dass wir darauf reagiert haben, war logisch. Es gibt ja auch Gesetze. Wir wollten doch nur …» Ich winke die Kellnerin heran, die sprintet los. «Ja, worum geht’s?»
    «Um mein Leben!», sage ich und grinse.
    Dann bestelle ich Kakao und Katrin auch, für mich bitte auch, Hochwürden, Knicks. Ich grinse immer noch.
    «Geht’s dir gut?», fragt Katrin.
    «Ja, sehr!», sage ich und nicke mit dem Kopf. Ich nicke mit dem Herzen und mit dem Kopf.
    Katrin behauptete, ich wäre doch nicht fähig gewesen, das Kind zu erziehen. Sie will mir Fotos zeigen, wie ich zu der Zeit aussah.
    Ich höre auf zu nicken. Katrin holt ein Fotobuch aus ihrer Handtasche, keine einzelnen Fotos, richtig ein Buch. Das Lied von den Puhdys heißt «Das Buch». Katrin schiebt mir das Buch rüber. Ich warte auf die Kellnerin. Die kommt, sagt wieder: «Ihre heiße Schokolade!» und räumt danach den Tisch auf, nimmt den ganzen Müll, die leeren Zuckertütchen, die leeren Kekstütchen, aber nicht die Fotos.
    Ich sehe mir die Fotos an, während ich die Sahne unterrühre, weshalb ich auch oft zu der Sahne sehe, wie sie schmilzt und dabei ein paar Fotos überblätter. Die Sahne löst sich in Wärme auf, ich – immer dünner, ich – immer kurzhaariger, ich – in Patricks Klamotten, Schorf. Ich lecke den Löffel ab, Kakao. Wir haben immer schon gerne Kakao getrunken, weil es das Gute von Milch und Schokolade vereint. Ich hebe die Schale mit beiden Händen und trinke mit geschlossenen Augen. Als ich die Augen wieder öffne, hat Katrin die Fotos weggesteckt und konnte mich deshalb nicht spiegeln. Ich will nicht, dass sie mich nachmacht. Ich habe sie nachgemacht. Ich habe alles gemacht wie sie. Sie ist nur fünf Jahre älter.
    Katrin behauptet: «Wir haben es gut gemeint. Wir haben gedacht, das bringt dich zur Vernunft, wenn wir Maria zu uns nehmen. Und es hat gewirkt. Wir haben richtig gehandelt.»
    Wir sind Katrin und meine Eltern. Ich bin ich.
    Katrin behauptet: «Maria geht es gut. Sie wechselt jetzt die Schule.»
    Katrin heult fast. Das macht sie mir aber nicht nach. Ich heule nicht. Ich mach das nicht mehr. Der Entzug war für alles.
    Katrin behauptet: «Ich habe neue Fotos von Maria dabei.»
    Was Katrin alles in ihrer Handtasche hat, sogar ein Taschentuch, mit dem sie ein Tränenmeer wegwischen kann, das so groß ist, dass der letzte Damm der Hoffnung zerbrach. Als Kind habe ich auch nicht geweint, weil alles schön war. Ich habe einmal im Skiurlaub geweint.
    Katrin behauptet was von Mario und was von Patrick und was von Vaterschaft.
    Wir waren alle im Skiurlaub und ich war die Kleinste, weil wir Fritzi nicht mitgenommen haben. Wir haben keinen Abfahrtski gemacht, sondern Langlaufski. Durch Puderzuckerwälder, ich zwischen Mama und Katrin, wir alle in der Spur, die Papa in den frischen Schnee zog, quer über Felder.
    Katrin behauptet: «Ich soll dich von Mario grüßen. Er hat mir einen Brief mitgegeben.»
    Katrin redet immer in den Abständen, dass ich nicht nachdenken kann. Ich bin wie ein Computerbildschirm, und immer wenn ich mich runter gefahren habe und der Bildschirmschoner

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