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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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läuft, bewegt Katrin die Maus. Der Bildschirmschoner ist eine verschneite Schonung.
    Katrin behauptet: «Weihnachten war Mario bei uns.»
    Ich konzentriere mich. Schnee. Schnee überall. Stiller Wald, gestrickte Mütze und die Skibindung geht immer wieder auf. Wir hatten nur Leihski, blau und kaputt. Im Harz.
    Katrin behauptet: «Papa bittet dich …»
    Schnee. Stiller Wald, hoher Berg. Papa suchte anstrengende Routen heraus, und ich war die Schwächste. Keiner zog mich und keiner schob mich. Ich musste mich selbst ziehen und schieben. Auf dem Berg machten wir Pause, Rast hieß das, Trinkfix und Rast. Wir lehnten die Skier an die Gaststätte und nach wenigen Minuten in der Gaststätte explodierten die Wangen, Tee.
    Katrin behauptet: «Papa vermisst dich am meisten. Mama sagt, dass sie dich versteht und dass du Zeit brauchst. Keiner ist böse. Maria kennt dich ja gar nicht. Wir erzählen viel von dir.»
    Schnee. Stiller Wald, Dämmerung, Glitzern und zurück zur Unterkunft. Papa wollte abkürzen und wir mussten über einen Bach. Mama und Papa waren schon drüben, Katrin hinter mir und ich hing über dem Bach fest.
    Katrin behauptet: «Ich habe Papa deine Telefonnummer gegeben, obwohl du das nicht …»
    Schnee. Stiller Wald, kein Vogel, ein Hase. Ich hänge fest. Genau über dem vereisten Bach. Dort wo Mama mit dem einen Ski in den Bach gerutscht war, ist ein Loch im Eis, da ist Wasser und ein Blatt und ein Stock. Papa hat Mama geholfen, sie an der Hand gepackt. Er hatte extra die Lederhandschuhe ausgezogen, um besser zufassen zu können. Ich hänge fest. Die anderen haben längere Skier, die konnten einen großen Schritt machen. Für einen großen Schritt bin ich zu klein, wie Fritzi. Ich friere, es wird dunkler. Die anderen frieren auch und es wird dunkler. Die Eltern sagen: «Komm!» und halten mir vier Hände entgegen. Schnee. Und Katrin lebt noch, weil sie ihre Skier abgemacht hat und sie hat nicht gedrängelt und sie hat sich zwischen die Bachböschungen gestellt, breitbeinig. Ich habe sie umarmt und geheult. Und Katrin hat mich heulen lassen, obwohl alle gefroren haben und dann hat sie gesagt: «So jetzt!» Ich bin nicht reingefallen.
    Katrin behauptet: «Papa hat nächste Woche Geburtstag und Maria ja den Tag darauf.»Katrin behauptet, dass ich eingeladen sei.
    Jetzt sehen wir gleich aus, wir heulen. «Aus zehn Milliarden Augen ein Tränenmeer, das überlief.» Sie wegen was und ich wegen was, aber wegen was anderem, weil mir das mit dem Bach eingefallen ist, Wasser, getautes Eis.
    «Weißt du noch im Skiurlaub auf dem Bach?», frage ich und schnaube in die Serviette. Heulen fühlt sich an wie brechen, das macht nichts besser, nur nass, Eis, gefrorenes Wasser.
    «Ja, das weiß ich noch», behauptet Katrin, dabei habe ich es mir ausgedacht. Sie lacht froh und umarmt mich, weil ich ihre Kekse gegessen habe.
    «Bring doch deinen Peter mit», sagt sie.

achtzehn
    Ich mache die Augen auf und darf sie nicht wieder zumachen, nur kurz, nur zum Zwinkern. Gestern und vorgestern war Wochenende, da konnte ich mit meinen Augen machen, was ich will. Ich wollte gestern und vorgestern Peter ankucken, ob seine Tränensäcke voll oder leer sind und ob seine Haut aussieht, als müsste ich sie streicheln, sah sie. Ich war das ganze Wochenende nicht zu Hause. An einigen Stellen sah Peters Haut noch mehr aus, als müsste ich sie streicheln. Männer brauchen das gar nicht, aber in ihre eingefallenen Wangen passen Handrücken gut. Wenn Peter seine Zähne verliert, kann ich meinen Kopf in seine eingefallenen Wangen legen.
    Wenn ich am Wochenende nicht bei Peter war, war ich bei Mario, aber ich war immer bei Peter, ich bin immer bei ihm. Mario weiß überhaupt nichts davon, dass er mir einen Brief geschrieben hat. Darum werfe ich den Brief weg. Was weiß ich, von wem der ist. Mario sagte außerdem, dass er findet, dass Mario nicht die Kurzform von Martin ist, na und?
    Jetzt mache ich die Augen auf und nicht wieder zu. Ich bin bei mir, ich bin immer bei mir, zu Hause. Ich habe Peter gesagt, dass ich früh aufstehen muss und viel machen muss, muss. Als ich nach Hause kam, musste ich sofort etwas machen, nachts. Ich bin Taxi gefahren und der Taxifahrer war nicht attraktiv, also habe ich ihn nur bezahlt. Ich habe aufgeräumt, nachts. Der Anrufbeantworter blinkte, schnell. Es könnte ein Vater sein, aber wessen? Ich habe den Anrufbeantworter weggeworfen, schnell, und den Müllbeutel gleich runter gebracht, weg. Die Mülltonnen waren fast

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