Die Tochter der Wälder
und fürchteten. Sie waren verbündet gegen die Pikten und Nordmänner, die unsere Ländereien bedrohten, besonders aber gegen die Briten, die das Undenkbare getan hatten.
Es konnte mir nicht entgehen, dass Vater und seine Männer hin und wieder Gefangene mitbrachten, aber man bewachte sie grimmig, und keiner meiner Brüder sprach darüber. Nicht einmal Finbar. Das war seltsam, denn meist hielt er seinen Geist offen für mich, und meine eigenen Gedanken waren nie vor dem abgeschlossen. Ich kannte seine Ängste und seine Freuden; ich spürte zusammen mit ihm die sonnigen Lichtungen und die dunklen, geheimnisvollen Tiefen unseres Waldes, den Herzschlag der Göttin auf seinen sonnenfleckigen Pfaden und in seinen frischen Quellen. Aber selbst damals gab es einen Teil, den Finbar verborgen hielt. Vielleicht hat er schon früh versucht, mich zu schützen. Also waren mir die Gefangenen ein Rätsel. Unser Haushalt war geprägt von bewaffneten Gestalten, knappen Worten und hastigen Abschieden. Selbst wenn mein Vater weg war – den größten Teil des Jahres –, ließ er eine starke Festungswache zurück, unter dem eisernen Befehl seines Waffenmeisters Donal.
Das war eine Seite des Haushalts; die andere, häuslichere, war zweitrangig. Die Diener, die wir hatten, gingen ihrer Arbeit nach, und die Leute in der Siedlung leisteten ihren Anteil, denn es gab Steinmauern und Dächer, die geflickt werden mussten, und Arbeit in der Mühle und der Molkerei. Es gab Vieh, um das man sich kümmern musste, Schweinehirten taten ihr Bestes, ihre Schutzbefohlenen in den Wäldern wiederzufinden, und die Frauen sponnen und webten. Unser Verwalter wurde krank und starb, und danach kümmerte sich Conor um die Finanzen und die Buchhaltung, solange Vater weg war. Nach und nach übernahm er die Führung über diesen Teil des Haushalts. Selbst mit sechzehn verfügte er bereits über jene Mischung aus Klugheit und Nüchternheit, die sein Alter Lügen strafte und auch bei den hart gesottenen Soldaten Vertrauen erweckte. Es wurde allen deutlich, dass Conor mehr als ein Schreiber war. In Vaters Abwesenheit veränderten sich die Dinge unauffällig: Die armen Bauern erhielten rechtzeitig vor dem Winter einen Vorrat an Torf für ihre Feuer, und mir stand nun ein Raum zur Verfügung, in dem mir eine Dienerin stundenweise half, für die Kranken Tränke und Salben herzustellen. Als das Kleine Volk Madge Smallfoots Mann holte und er von den Felsen hinab in den See sprang und ertrank, war es Conor, der dafür sorgte, dass Madge zu uns kam und für uns arbeitete und in der Küche Teig knetete und Hühner rupfte. Es waren nur kleine Dinge, aber ein Anfang.
Finbar nahm in diesem Jahr nicht an den Kämpfen des Herbstes teil; entgegen Vaters früherer Anordnung waren es Liam und Diarmid und zu seiner großen Freude der junge Cormack, die an einem hellen, kühlen Morgen abrupt davonritten. Der Ruf zu den Waffen war früh und unerwartet gekommen. Wir hatten Gäste, was ebenfalls nichts Gewöhnliches war: unsere Nachbarn, Seamus Rotbart von Glencarnagh und mehrere Mitglieder seines Haushalts. Seamus war einer der wenigen, denen mein Vater vertraute. Aber selbst er betrat den Wald nie ohne eine Eskorte von Männern meines Vaters, die ihm bis zu seiner eigenen Grenze entgegenkamen und ihn sicher zur Festung von Sevenwaters brachten.
Seamus hatte seine Tochter mitgebracht, die fünfzehn Jahre alt war und eine Haarmähne in derselben verblüffenden Farbe hatte wie ihr Vater. Sie mochte feurig aussehen, aber Eilis war ein stilles Mädchen, rundlich und rosig, und im Gegensatz zu meinen Brüdern fand ich sie eher langweilig. Unsere Gäste waren seit etwa zehn Tagen bei uns gewesen, und da Eilis nie auf Bäume klettern oder im See schwimmen oder mir mit den Kräutertränken helfen wollte, wurde ich ihrer Gesellschaft bald müde und überließ sie sich selbst. Ich war verblüfft, dass sich die Jungen so sehr für sie interessierten, denn wenn sie etwas sagte – was selten genug vorkam –, war es ausgesprochen oberflächlich. Das konnte sie doch nicht interessieren? Aber immer wieder sah ich Liam, Diarmid oder Cormack, die sich geduldig und mit offensichtlicher Faszination zu ihr beugten, um jedes einzelne Wort von ihren Lippen zu lesen, oder ihre Hand nahmen, um ihr eine Treppe hinabzuhelfen, die ich selbst mit ein paar harmlosen Sprüngen bewältigt hätte.
Es war seltsam und wurde noch seltsamer – obwohl das Merkwürdigste daran war, dass ich so lange brauchte,
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