Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
längst fallen lassen. Finbar hielt mich eher unsanft auf, packte mich mit den Händen an den Schultern.
    »Mieren«, sagte er und sah sich meine Hand an, die dabei war, zu schwellen und eine beunruhigende Rotfärbung anzunehmen. Inzwischen hatte mein Geschrei auch bewirkt, dass die Zwillinge angerannt kamen. Cormack hielt mich fest, weil er stark war, und ich heulte und schlug vor Schmerz um mich. Conor riss einen Streifen von seinem schmutzigen Hemd. Finbar hatte zwei spitze Zweige gefunden, und damit zog er vorsichtig einen nach der anderen die winzigen nadelähnlichen Stacheln heraus, die die Pflanze in meiner weichen Haut hinterlassen hatte. Ich erinnere mich an den Druck von Cormacks Händen auf meinen Armen, während ich unter Schluchzen nach Luft schnappte, und ich kann immer noch hören, wie Conor leise auf mich einredete, während Finbar mit geschickten Fingern seiner Arbeit nachging.
    »… und sie hieß Deirdre, Herrin des Waldes, aber niemand sah sie jemals. Nur bei Nacht, wenn man unter den Birken entlangging, konnte man vielleicht einen Blick auf ihre hochgewachsene Gestalt in einem mitternachtsblauen Umhang erhaschen, und ihr langes Haar, wild und dunkel, hing ihr auf den Rücken. Sie trug eine kleine Krone aus Sternen …«
    Als Finbar fertig war, verbanden sie mir die Hand mit Conors improvisiertem Verband und ein paar zerdrückten Butterblumenblüten, und am nächsten Morgen war es besser. Und als wir nach Hause kamen, verrieten sie meinen älteren Brüdern nicht, was für ein dummes Mädchen ich doch war.
    Von da an wusste ich, was Mieren waren, und ich machte mich daran, mehr über andere Pflanzen herauszufinden, die wehtun oder heilen konnten. Ein Kind, das halb wild im Wald aufwächst, lernt dessen Geheimnisse zum Teil einfach durch Erfahrung. Essbare Pilze und Giftpilze. Flechten, Moos und Kletterpflanzen. Blätter, Blüten, Wurzeln und Rinde. Überall in dem sich schier endlos erstreckenden Wald wuchsen unter riesigen Eichen, starken Eschen und sanften Birken eine Myriade kleinerer Pflanzen. Ich lernte, wie ich sie finden konnte, wann ich sie schneiden musste und wie man sie als Salbe oder Aufguss verwendete. Aber damit war ich nicht zufrieden. Ich redete mit den alten Frauen, bis sie meiner müde wurden, und ich studierte alle Manuskripte, die ich finden konnte, und probierte selbst Dinge aus. Es gab immer noch mehr zu lernen, und es mangelte nie an Arbeit.
    Wo liegt der Anfang? Als mein Vater meine Mutter kennen lernte, sein Herz verlor und sich entschied, aus Liebe zu heiraten? Oder bei meiner Geburt? Ich hätte der siebte Sohn eines siebten Sohns sein sollen, aber die Göttin hat uns einen Streich gespielt, und ich war ein Mädchen. Und nachdem sie mich zur Welt gebracht hatte, starb meine Mutter.
    Man könnte nicht sagen, dass mein Vater sich seinem Schmerz ergab. Dazu war er zu stark. Aber nachdem er sie verloren hatte, erlosch ein Licht in ihm. Es ging nur noch um Beratungen und Machtspiele und Verhandlungen hinter geschlossenen Türen. Das war alles, was er sah, alles, was ihm noch etwas bedeutete. Also wuchsen meine Brüder wild im Wald rings um Sevenwaters auf. Und ich war vielleicht nicht der siebte Sohn der alten Geschichten, derjenige, der magische Kräfte und die Gunst des Feenvolkes haben soll, aber ich trottete dennoch hinter den Jungen her, und sie liebten mich und zogen mich so gut auf, wie ein Rudel Jungen es eben kann.
    Unser Zuhause war nach den sieben Bächen benannt, die sich den Hügel herab in den großen, von Bäumen umgebenen See ergossen. Es war ein abgelegener, stiller, seltsamer Ort, gut bewacht von schweigsamen Männern in Grau, die ihre Messer, Äxte und Schwerter scharf hielten. Mein Vater ging kein Risiko ein. Mein Vater war Lord Colum von Sevenwaters, und sein Túath war das Sicherste und geheimste diesseits von Tara. Alle achteten ihn. Viele fürchteten ihn. Außerhalb des Waldes gab es so etwas wie Sicherheit nicht. Stammeshäuptling kämpfte gegen Stammeshäuptling, König gegen König. Und dann waren da die Überfälle von See her. Häuser christlicher Gelehrsamkeit wurden geplündert, ihre friedlichen Bewohner getötet oder verjagt. Manchmal griffen die heiligen Brüder in ihrer Verzweiflung selbst zu den Waffen. Der alte Glaube ging in den Untergrund. Die Nordländer versuchten, unsere Strände einzunehmen, bauten in Dublin ein Lager und überwinterten dort, so dass sich um diese Jahreszeit niemand sicher fühlen konnte. Selbst ich hatte bereits

Weitere Kostenlose Bücher