Die Tochter der Wälder
Eine gewisse Anspannung lag in seiner Stimme, ähnlich, wie wenn er bei einer Debatte mit Hugh den Kürzeren gezogen hatte. Etwas hatte ihn durcheinander gebracht. »An diesem Morgen werden die Beweise gegen das Mädchen vorgelegt. Später am Tag wird sie Gelegenheit erhalten, sich zu verteidigen. Ich werde sie verhören, und Vater Dominic hat dieselbe Möglichkeit. Sollte irgendein Mitglied dieser Versammlung etwas zu der Angelegenheit zu sagen haben, kann er das tun. Ich werde noch heute das Urteil fällen und die Strafe festlegen, damit dieser beunruhigende Fall endlich zu Ende gebracht werden kann.«
»Nun gut, nun gut.« Vater Dominic griff nach einem Blatt Pergament und einer Feder. Der Schreiber, der offensichtlich daran gewöhnt war, schob das Tintenfass näher. »Wie genau lauten die Anklagen gegen diese junge Frau?«
»Zunächst Spionage, um Informationen an die Feinde ihres Mannes weiterzugeben. Sie hat nie geleugnet, von jenen irischen Häuptlingen abzustammen, gegen die wir um die Inseln Krieg führen. Zweitens Kontakte zu einem Gesetzlosen, einem ihrer eigenen Art, der hier nichts zu suchen hat. Drittens, die Verwendung von Zauberei zu unheilvollen Zwecken. Alle drei Verbrechen übt sie zu demselben Zweck aus. Die Strafe für alle drei ist der Tod.«
»Dessen bin ich mir bewusst. Welche Zeugen sollen aufgerufen werden?«
»Mehrere, Vater. Ich selbst bin Hauptzeuge.«
Vater Dominic nickte ungerührt. Über dem Kragen seines dunklen Gewandes quollen Speckrollen. Seinen kleinen Äuglein schien nichts zu entgehen.
»Gut. Fahrt fort.« Er wandte sich mir zu. »Hör gut zu, junge Frau. Denn man wird auch dich aufrufen, um für dich selbst zu sprechen.«
Ich erwiderte seinen Blick, und er kniff die Augen ein wenig zusammen.
»Versteht das Mädchen unsere Sprache?« Stirnrunzelnd wandte er sich Richard zu. »Sie scheint kaum zu hören, was hier gesprochen wird. Und sie sieht aus, als wäre sie krank. Ich nehme an, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Man kann kaum von ihr erwarten, dass sie sich verteidigt, wenn sie die Beweise nicht versteht.«
»Sie versteht alles«, sagte Richard barsch, und es wurde recht deutlich, wie verärgert er war. »Aber sie kann nicht sprechen. Es heißt, eine Krankheit habe dazu geführt.«
»Wenn das so ist, wie kann sie sich dann verteidigen? Wie kann ein gerechter Prozess stattfinden, wenn die Angeklagte sich nicht verteidigen kann? Hat sie jemanden, der ihr beisteht?«
»Sie wird schon zurechtkommen«, tat Richard das ab. »Kann ich mit meiner Aussage beginnen?«
»Ich bin alles andere als zufrieden mit der Situation. Aber fahrt fort. Lasst uns keine Zeit verschwenden.«
Selbst für mich klang es überzeugend, was er sagte. Ich hielt es für mein Todesurteil. Richard gab eine gute Vorstellung, ging zwischen den vollbesetzten Bänken auf und ab, nutzte das ganze Spektrum seiner volltönenden Stimme von Flüstern bis zu aufgebrachtem Gebrüll und erzählte die Geschichte, wie sein Neffe dieses Mädchen aus Eire mitgebracht hatte, wie seine Leute sofort gewusst hatten, dass sie nichts Gutes im Sinn hatte, wie sie sich in den Haushalt gedrängt und geschmeichelt und sich dann gegen ihren Mann gewandt hatte, wie man es von einer Wilden aus den Sümpfen von Eire erwarten konnte. Er erzählte, wie ich nach dem Abendessen belauscht hatte, was gesprochen wurde, wenn es um Handel und Kriegszüge ging. Er beschrieb, wie er mich einmal allein in den Hügeln erwischt hatte – wieso sollte ich insgeheim aus dem Haus schleichen, wenn nicht, um einen von meinem Volk zu treffen und ihm Informationen weiterzugeben?
»Das ist Spekulation«, sagte Vater Dominic ruhig und kritzelte etwas aufs Pergament. »Wo sind die Beweise?«
»Dazu komme ich noch.« Richards Stimme war scharf. Es musste ihn viel kosten, seinen Ärger herunterzuschlucken, denn er musste schließlich die Pächter ebenso überzeugen wie den Geistlichen, wenn sein Urteil akzeptiert werden sollte. Dann begann er mit der Geschichte vom Mittsommerpicknick und wie ich mich verraten hatte. Er erreichte den Höhepunkt seiner Geschichte.
»Ich sah das Mädchen, Jenny, wie sie den Weg am Fluss entlang ging. Ein wenig später begann ich mir Gedanken um ihre Sicherheit zu machen und folgte ihr. Ein Mann war vor mir, Benedict, der Sohn von William von Greystones, einer der jungen Gefährten meines Neffen. Der junge Mann ist als Pflegesohn dieses Hauses aufgezogen worden. Wir sahen sie beide; und wir sahen beide den Burschen, den
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