Trixie Belden 18 - Das geheimnisvolle Samtkleid
Dinahs großer Tag
Mit vor Aufregung rotem Gesicht, die sandfarbenen Locken in wilder Unordnung, raste die vierzehnjährige Trixie den Flur des Gymnasiums entlang. Plötzlich rief eine dröhnende Stimme: „Einen Augenblick bitte, Trixie!“
Trixie blieb unvermittelt stehen. Die Vormittagsstunden hatten sich heute wieder einmal besonders lang hingezogen. Sie war selig gewesen, als endlich der Gong erklang — und jetzt das! Sie drehte sich um und sah, daß Herr Sandborn, ihr Mathematiklehrer, „der Sandmann“ genannt, sie streng von der Türschwelle eines Klassenzimmers aus musterte, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Wenn du bei der Lösung deiner Algebraaufgaben ein ähnliches Tempo vorlegen würdest wie hier, wäre uns beiden geholfen“, sagte er. „Was denkst du dir eigentlich, so durch
die Schule zu rasen? Ist irgendwo Feuer ausgebrochen?“
„Oh, Herr Sandborn“, rief Trixie, die voller Erleichterung ein belustigtes Zwinkern in seinen Augen entdeckt hatte, „die Ergebnisse der Rollenvergabe für die Aufführung von Romeo und Julia werden gerade bekanntgegeben, und ich möchte schrecklich gern wissen, ob...“
„Aha!“ Sandborn nickte. „Na gut, dann lauf los!“
„Ja, in Ordnung“, sagte Trixie rasch, ehe er noch etwas über ihre mangelnden Fortschritte in Mathematik sagen konnte. In etwas gemäßigterem Tempo machte sie sich wieder auf den Weg zur Aula am Ende des langen Korridors.
Im Lindenberger Gymnasium wurde jedes Jahr ein Theaterstück einstudiert und aufgeführt. In der ersten Woche nach den Weihnachtsferien fand die Auswahl der Schauspieler statt. Da sich vor allem für die Hauptrollen stets mehrere Schüler meldeten, mußten sie einer Gruppe von Lehrern vorsprechen, die dann entschied, wer für die jeweiligen Rollen am geeignetsten war. Doch es ging nicht nur daraum, Schauspieler zu finden: Viele Schüler beteiligten sich auch als Beleuchter, Kostümbildner, Maskenbildner und Bühnenarbeiter an der Aufführung.
Trixie hatte sich bereits als Bühnenarbeiter eingetragen. Ihre beste Freundin, Brigitte Willer, war in der Gruppe, die die Kostüme nähte. Das aufregendste an der Sache aber war, daß ihre gemeinsame Freundin Dinah Link sich für die Rolle der Julia beworben hatte. Dinah hatte wochenlang Sprechübungen gemacht und bereits Teile der Rolle auswendig gelernt. Doch ohne Trixies und Brigittes Unterstützung hätte sie es nie gewagt, auch nur vorzusprechen, da sie ziemlich schüchtern war.
Während Trixie den Flur entlangeilte, dachte sie: Dinah ist so hübsch mit ihren glänzenden schwarzen Haaren und den veilchenblauen Augen, sie wäre eine perfekte Julia. Sie muß die Rolle einfach kriegen!
Der Vorraum zur Aula war voll mit Schülern und Schülerinnen, die auf die Ergebnisse der Ausscheidung warteten. Trixies Freundin Brigitte Willer löste sich aus der Menge und kam zu Trixie und ihrem Bruder Martin. Sie war größer und schlanker als Trixie, hatte haselnußbraune Augen und goldbraunes Haar.
„Jetzt müßte es eigentlich gleich soweit sein“, sagte sie, und im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür der Aula. Eine zierliche junge Frau mit dicken Locken erschien auf der Schwelle. „Das ist die neue Lehrerin für Literatur und Kunstgeschichte, Frau Darcy“, flüsterte Trixie ihrem Bruder zu. „Sie sieht nett aus, findest du nicht?“
„Jungen und Mädchen“, rief Frau Darcy, „Ich weiß, ihr seid alle schon sehr gespannt darauf zu erfahren, wer in diesem Jahr von der Jury für die Rollen in unserem Theaterstück ausgewählt wurde. Um zu vermeiden, daß ein großes Gedränge um die Liste entsteht, werde ich euch die wichtigsten Namen vorlesen.“
Sie sah auf das Blatt, das sie in der Hand hielt. „Tybald wird von Paul Viktors gespielt, Mercutio von Thomas Münter, Romeo von Nils Kenward und Julia von Dinah Link. Die Liste mit allen anderen Namen für die kleineren Rollen wird ausgehängt. Das Spiel findet am Valentinstag statt; wir werden also in den kommenden Wochen eine Menge zu tun haben. Die Proben und der begleitende Literaturunterricht beginnen morgen.“
Die Stille, die eingetreten war, während Frau Darcy die Namen vorgelesen hatte, wandelte sich in lautes Stimmengewirr. Trixie, Brigitte und Martin suchten nach Dinah, die von Mitschülern umringt war und mit Glückwünschen überschüttet wurde. Sie sah ganz verwirrt aus.
„Ich hab’s ja gewußt, daß du die Rolle kriegst, Dinah, ich hab’s gewußt“, rief Trixie und umarmte ihre Freundin
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