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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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verwickeln. Ich habe bereits genug Menschen in Gefahr gebracht. Es ist vorüber, zumindest für dich.«
    Und das war wirklich alles, was ich in jener Nacht aus ihm herausholen konnte. Er war erschreckend geübt darin, seinen Geist mir gegenüber zu verschließen, und weder mit Flehen noch mit meinen Versuchen, in einem unbeobachteten Augenblick seine Gedanken zu lesen, konnte ich mehr erfahren. Seine Voraussage jedoch sollte sich als vollkommen falsch erweisen.
    ***
    Es folgte eine ruhigere Zeit. Nachdem Vater und die älteren Jungen weg waren, fielen wir in unsere alte Routine zurück, obwohl nun mehr Wachen rings um die Festung postiert waren. Conor kümmerte sich mit ruhiger Kompetenz um die Haushaltsangelegenheiten, schlichtete, wenn zwei Bauern sich wegen einer Gänseherde stritten, überwachte die Brauereiarbeit und die Bäckereien im Herbst, das Auslesen der Jährlingskälber, das Einsalzen von Fleisch für den Winter. Für Finbar, Padraic und mich war es eine gute Zeit. Donal unterrichtete die Jungen immer noch mit Schwert und Bogen, und Conor brachte ihnen ebenfalls bei, was er konnte. Für gewöhnlich stahl auch ich mich in diesen Unterricht, weil ich dachte, ein wenig Gelehrsamkeit könne mir nichts schaden. Wir konnten alle lesen und schreiben. Wir kannten die Runen, wir konnten rechnen, wir konnten eine Landkarte zeichnen und hatten ein gutes Repertoire an alten und neuen Geschichten. Zusätzlich dazu konnten wir singen, Flöte spielen, und ein paar von uns spielten auch die kleine Harfe. Wir hatten einmal einen Barden, der bei uns überwinterte; das war zwar schon einige Zeit her, aber er hatte uns die Grundzüge beigebracht, und wir hatten ein Instrument, das Mutter gehört hatte, eine feine, kleine Harfe, in deren Rahmen Vögel geschnitzt waren. Padraic mit seiner Findigkeit, was das Reparieren von Dingen anging, hatte das Instrument wieder gestimmt, und wir spielten es in einem der oberen Räume, wo Vater uns nicht hören konnte. Auch ohne zu fragen, wussten wir, dass diese Erinnerung an sie ihm nicht willkommen sein würde.
    Der Flügel von Padraics Eule wurde besser, und das Tier war begierig, sich wieder davonzumachen. Padraic hatte gewartet, bis der Flügel wieder gut war, und eines Tages gingen wir in der Abenddämmerung in den Wald hinaus, um sie freizulassen. Ein Lächeln reinen Entzückens lag auf dem Gesicht meines Bruders, als er das Tier zum letzten Mal von seinem Handschuh in die Luft warf und zusah, wie sie diese großen, grauweißen Flügel ausbreitete und sich in die Luft schraubte, hinauf zu den Baumwipfeln. Ich sagte ihm nicht, dass ich die Tränen in seinen Augen bemerkt hatte.
    Finbar war still. Ich spürte, dass er Pläne hatte, aber er zog es vor, sie mir nicht mitzuteilen; stattdessen machte er zwischen seinen Übungen im Reiten und Bogenschießen, im Schreiben und Rechnen lange einsame Spaziergänge, oder man fand ihn in seinem Lieblingsbaum oder oben auf dem Dach, in tiefes, undurchdringliches Nachdenken versunken. Ich ließ ihn in Ruhe; wenn er reden wollte, würde ich da sein. Ich beschäftigte mich damit, in Vorbereitung auf die Krankheiten des Winters Beeren und Blätter zu sammeln, Tränke zu destillieren und Kräuter zu trocknen.
    Ich habe schon von der Festung erzählt, in der meine Familie lebte, von dem kargen Steinturm tief im Wald, dessen Mauern hier und da von schmalen Fensterschlitzen durchbrochen waren. Der Hof, die Hecken und der Küchengarten trugen nur wenig dazu bei, die Anlage weniger grimmig aussehen zu lassen. Aber Sevenwaters hatte mehr aufzuweisen als das. Ohne unsere ummauerten Felder, die strohgedeckten Ställe für die Tiere und die Gärten mit den Reihen von Möhren, Rüben und Bohnen, ohne die Mühle und die Getreidespeicher, hätten wir in solcher Isolation nicht überleben können. Also waren zwar nur wenig Bäume gefällt worden, und das mit dem größten Respekt, aber hinter der Festung war der Wald ein Stück weit gerodet, um Platz zu machen für den Hof und eine kleine Siedlung. Es war nicht notwendig, hier einen Graben oder eine Mauer zu errichten, um Banditen fern zu halten. Es war nicht notwendig, einen Fluchttunnel oder Geheimgänge einzurichten, obwohl wir die Höhlen nutzten, um Butter und Käse für den Winter aufzubewahren, wenn die Kühe keine Milch geben. Hier und da gab es an anderen Stellen des riesigen Waldes kleine Siedlungen, die alle zum Túath meines Vaters gehörten. Sie zahlten Tribut und erhielten dafür Schutz. Alle

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