Die Tochter der Wälder
Lippen kam. Er war sehr krank. Er hatte ein schreckliches Fieber, und ein paar seiner Wunden hätten einen schwächeren Mann sofort getötet. Er hat hart gegen den Tod gekämpft, und eine Weile lang glaubte ich, er hätte gewonnen. Aber sein nächster Kampf wird der schwerste: der Kampf gegen sich selbst. Er ist immerhin kaum mehr als ein Junge, und die stärksten Männer überstehen es schlecht, wenn ihre eigene Art sich gegen sie wendet. Der Junge will nicht zugeben, dass er verletzt und verängstigt ist; stattdessen wendet er seine Qual nach innen und peinigt sich selbst.«
Ich versuchte, das alles zu begreifen.
»Du meinst, er will sterben?«
»Ich glaube nicht, dass er weiß, was er will. Was er braucht, ist Frieden des Geistes, ein wenig Zeit ohne Hass, um Körper und Geist wieder zusammenzubringen. Ich dachte daran, ihn zu den Brüdern im Westen zu schicken; aber er ist zu schwach für diesen Weg, und ich möchte ihn keinen anderen Händen anvertrauen.«
Einige Zeit lang schwiegen wir, und nur der leise Hufschlag und das Seufzen des Windes zwischen den Felsen waren zu hören. Der Weg wurde schmaler und steiler, die Bäume standen dichter. Hier oben waren es große Eichen, deren obere Äste bereits kahl waren, und uraltes Unterholz. Das alte Pferd kannte seinen Weg und stapfte stetig weiter.
»Vater, wenn Ihr diesen Jungen nicht heilen konntet, dann kann ich es sicher auch nicht. Wie meine Brüder mir immer wieder sagen – ich bin nur ein Kind. Vielleicht kann ich bei einem Husten helfen oder bei einem Nesselausschlag, aber so etwas … ich weiß kaum, wo ich anfangen soll.«
Der Wagen ruckte über einen Stein, und Vater Brien streckte die Hand aus, um mich zu stützen.
»Dennoch«, sagte er auf seine gemessene Art, »wenn du nichts tun kannst, dann kann es niemand mehr. Conor war sicher, dass du diejenige bist, die mir helfen könnte. Ich glaube, du wirst wissen, was zu tun ist, wenn du ihn siehst. Und ich glaube auch, dass er dich nicht fürchten wird, wie er mich fürchtet. Und Angst ist ein großes Hindernis, wenn es ans Heilen geht.«
»Conor war sicher?« sagte ich verblüfft. »Conor wusste von dem Jungen? Aber …«
»Mach dir wegen Conor keine Sorgen«, sagte Vater Brien. »Er wird euer Geheimnis nicht verraten.«
Wir kamen unter einen Felsüberhang, und er zügelte das Pferd. Er sprang vom Kutschbock und half mir nach unten.
»Ich hoffe, dass wir, während du hier bist, über eine ganze Anzahl von Dingen reden können. Aber kümmern wir uns zuerst um diesen Jungen. Und dann kannst du entscheiden, was du tun kannst und was nicht.«
Die Luft in der Höhle war schwer vom Duft der Heilkräuter. Meine Nase sagte mir, dass Vater Brien eine Mischung verbrannt hatte, um den Jungen länger im Frieden tiefen Schlafs zu halten. Minze zum Schutz und für Mut und Thymian, um den Schrecken der Nacht fern zu halten. Schwieriger zu erkennen waren die Sporen einer Pflanze, die wir Wolfsklaue nannten, und ich fragte mich, wie er davon erfahren hatte, denn diese Pflanze war ausgesprochen gefährlich. Man durfte eine Person nicht zu lange unter ihrem Einfluss lassen. Der Schläfer musste geweckt werden und sich seinen Ängsten stellen, oder er blieb für immer an den finsteren Orten seines Geistes versunken.
Die äußere Höhle war kühl und trocken, mit Öffnungen hoch oben in den Mauern. Das hier war der Ort, wo Vater Brien heilte. Es gab viele Regale voller getrockneter Kräuter und Gewürze, Krüge und Tiegel und ordentliche Stapel gefalteten Tuchs. Zwei riesige Eichenbretter auf großen Steinen dienten als Arbeitstisch. Von diesem ordentlichen Raum ging eine innere Kammer ab. Und dort gab es einen Strohsack, auf dem sein Schützling lag, in einer Decke gewickelt und Schutz suchend zusammengerollt. Vater Brien selbst aß und schlief in der winzigen Steinhütte, kaum mehr als eine Zelle, unter den Bäumen neben der Höhlenöffnung. Er sah aus, als hätte er in letzter Zeit nicht viel Schlaf bekommen; seine Augen lagen tief im Schatten.
»Die Verbrennungen heilen gut«, sagte Vater Brien leise. »Er hatte ein paar innere Verletzungen; für die habe ich getan, was ich konnte. Auch sie werden mit der Zeit heilen. Das Fieber war schlimm, aber ich habe es mit Wickeln und Kräutertränken gesenkt. Als es hoch war, hat er viel gesprochen und mehr von sich verraten, als ihm vielleicht lieb wäre. Aber nun weiß er, wo er ist, und schweigt die meiste Zeit. Selbst wenn ich mit ihm in seiner eigenen Sprache
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