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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Mahlzeit vorüber war und Conor aufstand und uns damit erlaubte zu gehen. Ich folgte Finbar nach draußen und stellte ihn auf dem langen Weg unter den Weiden.
    »Was ist passiert? Wo warst du?«
    »Was glaubst du wohl?«
    »Du hast diesen Jungen irgendwo hingebracht, das glaube ich. Aber wohin?«
    Er schwieg einen Augenblick lang und dachte vermutlich darüber nach, wie er mir möglichst wenig erzählen musste.
    »An einen sicheren Ort. Es ist besser, wenn du es nicht weißt.«
    »Wie meinst du das?«
    »Denk darüber nach, Sorcha. Selbst du bist jetzt in Gefahr. Sollten Vater oder Liam herausfinden, was wir getan haben, dann wären sie … nun, zornig ist wohl untertrieben.«
    »Wir haben nur jemanden davor gerettet, verletzt zu werden«, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es um viel mehr ging.
    »Sie würden es als Verrat betrachten. Als einen Dolchstoß in den Rücken der Familie. Einen Spion freilassen. Für sie gibt es nur Schwarz und Weiß, Sorcha.«
    »Und auf welcher Seite stehst du?«
    »Es gibt keine Seiten, nicht wirklich. Es ist nur eine Frage, woher man kommt. Kommen die Briten nicht hierher, um unser Land zu nehmen, unsere Geheimnisse zu erfahren und unsere Art zu leben zu zerstören? Ihnen zu helfen ist gegen die Familie und die Brüderschaft und alles, was heilig ist. So sehen es die meisten Leute. Vielleicht sollten wir es auch so sehen.«
    Nach langer Zeit des Überlegens sagte ich: »Aber Leben ist heilig, nicht wahr?«
    Finbar kicherte. »Du hättest ein Brithem sein sollen, Sorcha. Du findest immer wieder ein Argument, zu dem mir nichts einfällt.«
    Ich sah ihn fragend an. Ich, mit meinen bloßen Füßen und dem wirren Haar, sollte jemand sein, der Urteile fällt? Es fiel mir meistens schwer genug, den Unterschied zwischen Unrecht und Recht zu finden.
    Wir beide schwiegen. Finbar lehnte sich an einen Baum, lehnte den Kopf gegen die raue Rinde und schloss die Augen. Seine dunkle Gestalt verband sich mit den Schatten, als wäre er ein Teil davon.
    »Warum hast du es also getan?« fragte ich nach einer Weile. Er nahm sich mit der Antwort Zeit. Es wurde kühl, und abendliche Feuchtigkeit hing in der Luft. Ich schauderte.
    »Hier«, sagte Finbar, öffnete die Augen und legte mir seine alte Jacke um die Schultern. Er trug immer noch dasselbe Hemd wie in jener Nacht. War es wirklich erst drei Tage her?
    »Es ist, als wäre alles Teil eines Musters«, sagte er schließlich. »Beinahe so, als hätte ich keine andere Wahl, als sähe ich alles vor mir wie eine Art Landkarte meines Lebens. Ich denke, Mutter sah, was uns bevorstand, vielleicht nicht genau, aber sie hatte eine Ahnung davon, wohin wir gehen.« Er berührte das Amulett, das er immer um den Hals trug. »Und dennoch, es geht ebenso darum, dass wir eine Wahl haben. Wäre es nicht leichter für mich, einer von den Jungs zu sein und mir mit Schwert und Bogen Vaters Liebe zu verdienen – ich könnte es –, und meinen Platz an seiner Seite einzunehmen und unser Land und unsere Ehre zu verteidigen? Es wäre gut, anerkannt zu werden, Gefolgsleute zu haben und eine Art Stolz. Stattdessen habe ich diesen Weg gewählt. Oder er wurde für mich gewählt.«
    »Und wo ist der Junge nun? Ist er entkommen?«
    Wie ich schon sagte, Finbar und ich hatten zwei Arten des Sprechens. Die eine erfolgte mit Worten wie jede andere auch. Die zweite gehörte uns allein, es war eine lautlose Kunst, die Übertragung von Bildern oder Gedanken oder Gefühlen direkt von einem Geist zum anderen. Er benutzte nun dies, zeigte mir Vater Briens Karren, beladen mit Bündeln und Kisten, wie er langsam zurück den Weg zur Höhle des Eremiten geschoben wurde. Ich spürte Schmerz bei jedem Rucken des Karrens, obwohl Vater Brien das alte Pferd langsam gehen ließ. Ein Rad blieb stecken; der junge Helfer des guten Vaters sprang ab, um es wieder auf den Pfad zu hebeln. Es lag ein Schwung in den Schritten dieses jungen Mannes, der ihn als meinen Bruder kennzeichnete, obwohl die Kapuze sein Gesicht verbarg, denn Finbar bewegte sich immer so, mit federndem Schritt, mit leicht nach außen gerichteten Füßen. Dann kam ein Bild von beiden Männern vor der Höhle, wie sie vorsichtig ein langes Bündel vom Wagen hoben. Ein Aufblitzen von Gold unter den fleckigen Decken.
    »Er war nicht in der Verfassung, weiter zu kommen«, sagte Finbar tonlos. »Aber er ist in guten Händen. Mehr brauchst du nicht zu wissen – nein«, als ich ihn unterbrechen wollte, »ich werde dich nicht weiter hinein

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