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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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war grausam. »Was hast du erwartet? Ein begeistertes Willkommen? Schmachtende Dankbarkeit? Nenn mir einen Grund, wieso ich dankbar sein soll.«
    Schweigen.
    »Sohn«, meinte Vater Brien schließlich, »die Zukunft mag dir im Augenblick finster erscheinen, und man kann nicht sagen, wohin dein Weg dich führen wird. Aber auf jedem Weg gibt es Licht. Und irgendwann wirst du es finden.«
    »Erspare mir deinen selbstgezimmerten Glauben, Priester«, meinte Simon müde. »Ich verachte ihn ebenso wie dich.«
    »Du bist kaum in der Lage, dich gegen ihn zu wenden«, meinte Finbar. »Er kümmert sich um dich und deine Leute, und zwar wegen diesen Glaubens. Ohne ihn wäre er wahrscheinlich ein Mörder wie meine Verwandten. Und wie wahrscheinlich deine.«
    »Tatsächlich war ich einmal ein solcher Mann. Ich weiß, wie blind einen eine Sache, die man verfolgt, gegenüber der Wirklichkeit machen kann. Finbar erkennt das bereits. Vielleicht ist es dein Auftrag im Leben, es ebenfalls zu lernen.« Vater Brien klang nachdenklich.
    »Das interessiert mich nicht! Ich bin zu nichts gut. Ich falle schneller wieder auseinander, als sie mich zusammenflicken kann, und ich stinke nach Fäulnis. Ihr hättet mich lieber gelassen, wo ich war. Dann wäre das Ende rascher gekommen.« Simon hatte die Stimme immer noch unter Kontrolle, aber ein Schauder lief über seinen Körper. Ich setzte dazu an, etwas zu sagen, aber Finbar war schneller.
    »Ich nehme meine Schwester wieder mit nach Hause«, sagte er. »Ich wollte dir helfen, und sie ebenfalls. Aber ich lasse nicht zu, dass man ihr wehtut oder sie bedroht. Wir haben getan, was wir konnten, und es scheint, dass du uns nicht mehr brauchst.«
    Simon lachte höhnisch. »Nicht so schnell, großer Bruder«, sagte er. »Ich habe immer noch mein Messer, und ich bin nicht vollkommen hilflos. Die kleine Hexe bleibt hier. Du hast sie hergeschickt, um mich zu heilen; also soll sie mich heilen.«
    »Du vergisst, dass sie noch ein Kind ist«, sagte Vater Brien.
    »Ein Kind? Ha!« Simon gab ein freudloses Lachen von sich. »Äußerlich vielleicht. Aber sie ist anders als jedes Kind, das ich je gekannt habe. Welches Kind kennt sich mit Kräutern aus oder weiß tausend Geschichten, von denen jede seltsamer ist als die Letzte, und wie man …« Seine Stimme verebbte. Finbar warf Vater Brien einen Blick zu, der diesen Blick nachdenklich erwiderte. Mein Arm begann dort, wo Simon ihn immer noch umklammerte, heftiger zu schmerzen.
    »Diese Entscheidung steht dir nicht zu«, sagte ich so entschlossen ich konnte. Ich sah sie alle nacheinander an – Finbar mit seinem bleichen Gesicht und den klaren, grauen Augen, den milden, durchdringenden Blick von Vater Brien. Simons Berührung kündete von seinem Schmerz und seiner Verzweiflung. »Ich habe hier etwas zu tun, und ich bin noch nicht fertig. Ihr habt es geschafft, an diesem Nachmittag den größten Teil meiner Arbeit zunichte zu machen. Finbar, du musst nach Hause gehen und mich meinem Auftrag überlassen. Du weißt, dass ich hier in Sicherheit bin, und es geht mir besser, wenn du mich in Ruhe lässt. Ich rufe dich, wenn ich fertig bin.«
    Er braucht mich, Finbar.
    Ich lasse dich nicht hier. Er versuchte, mich aus seinen Gedanken zu verbannen, aber er konnte nicht ganz die Schuldgefühle und die Verwirrung verbergen. Das beunruhigte mich. War Finbar nicht immer der Bruder, der sich über alles so sicher gewesen war, der immer wusste, was er tun musste?
    Lass mich allein. Das ist meine Entscheidung.
    Und das tat er schließlich. Es war gut, dass Vater Brien mir vertraute und an das glaubte, was ich tat, denn schließlich war er es, der meinen Bruder überredete, mit zurück in die Hütte zu gehen und mich mit meinem Patienten allein zu lassen. Erst nachdem sie außer Sichtweite waren und sich die Hüttentür hinter ihnen geschlossen hatte, wurde Simons Griff an meinem Arm zu einer Bitte um Stütze, und er atmete schaudernd aus. Der Hund und ich brachten ihn mit einiger Mühe zurück in die Höhle, und ich brach all meine Regeln und bereitete ihm einen Trunk, der ihn vernünftig schlafen lassen würde. Dann saß ich bei ihm, sagte nicht viel, sah zu, wie er versuchte mit dem Schmerz zurechtzukommen und darum kämpfte, nicht zu schreien. Nach einer Weile wirkte der Kräutertrank, und er entspannte sich ein wenig. Mein Arm tat ziemlich weh; ich ging leise hinüber zu Vater Briens Regalen, um dort eine Salbe zu finden. Ich fand, was ich suchte, in einem flachen Tiegel und

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