Die Tochter der Wälder
Vielleicht.
Vor meiner Tür, geduckt in eine Ecke des zugigen Flurs, hockte Linn. Ich hätte sie beinahe übersehen, denn sie duckte sich in die Schatten, aber ich hörte ein leises Winseln.
»Was ist, Linn? Was ist denn?« Ich sah näher hin und hätte beinahe entsetzt aufgeschrien, als ich die große, nässende Wunde sah, die sich von oberhalb eines Auges bis zur Ecke des Mauls zog. Ihre Zähne glitzerten durch eine aufgerissene blutige Lippe.
Ich lockte die Hündin aus ihrer Ecke; sie schauderte und wich sogar vor meiner freundlichen Berührung zurück, aber ich redete weiter ruhig auf sie ein und streichelte sie sanft. Dann brachte ich sie in den alten Stall, wo Padraic mich mit dem Entsetzen und dem Zorn begrüßte, die ich erwartet hatte. Er murmelte etwas über bestimmte Leute und wieso man sie nicht in die Nähe von Tieren lassen sollte und was er mit ihnen tun würde, wenn er herausfand, wer es gewesen war, dann säuberte er die Wunde und nähte sie, während ich die arme Linn ruhig hielt und ihr von grünen Feldern und Knochen erzählte. Als Padraic fertig war, seufzte der Hund, trank eine halbe Schale Wasser und ließ sich neben dem Esel im Stroh nieder.
Es dämmerte nun, und ich erinnerte Padraic daran, dass wir uns lieber zum Abendessen waschen sollten; Lady Oonagh hatte etwas gegen Zuspätkommen. Als wir uns gerade zum Gehen wandten, bemerkten wir Cormack, der mit kreidebleichem Gesicht im Schatten stand.
»Wie lange bist du schon hier?« fragte ich überrascht.
»Es geht ihr gut«, sagte Padraic mit seltsam angespannter Stimme. »Warum streichelst du Linn nicht und lässt sie wissen, dass du hier bist, um sie zu sehen? Wieso tust du das nicht, Bruder?«
Unbehagliches Schweigen breitete sich aus, und dann sagte Cormack: »Ich kann nicht.«
Ich schaute von einem zum anderen.
»Was ist hier los?« fragte ich verdutzt.
»Frag ihn doch«, sagte Padraic wütend. »Frag ihn, warum er nicht hereinkommt und seinen eigenen Hund streichelt. Die Schuld steht ihm doch ins Gesicht geschrieben. Das hier ist sein Werk. Verzeih mir, wenn ich nicht hier bleibe.« Und dann ging er an seinem älteren Bruder vorbei, als wäre Cormack nicht da.
»Kann das wahr sein?« fragte ich entsetzt und ungläubig. »Hast du das wirklich getan, Cormack?« Sicher hatte Padraic sich geirrt. Es war Cormack, der diesen Hund vor dem Ertränktwerden gerettet hatte. Cormack hatte Linn aufgezogen, Cormack war es, dessen Schritten sie in sklavischer Ergebenheit folgte. Meine Brüder mochten Feinden im Krieg wenig Gnade zeigen, aber sie würden niemals willentlich ein Geschöpf verletzen, das ihnen anvertraut war.
Ich sah schweigend zu, als Cormack zu den Boxen ging und seinen verletzten Hund ansah. Er hatte die Arme um sich geschlungen, als könnte er gar nicht warm werden, und als ich näher herankam, sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte.
»Du hast es also wirklich getan«, flüsterte ich. »Cormack, wie konntest du? Sie ist ein guter Hund, treu und ehrlich und von gutem Charakter. Was hat dich dazu gebracht, ihr wehzutun?«
Er wollte mich nicht ansehen. »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich mit tränenerstickter Stimme. »Ich war im Hof und übte, und sie kam hinter mir angerannt, und ich – ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich habe einfach zugeschlagen. Es war beinahe, als würde jemand anderes es tun.«
Ich setzte dazu an, etwas zu sagen, und überlegte es mir dann anders.
»Sie war nicht einmal im Weg, Sorcha. Nur – nur plötzlich war ich wütend und habe sie geschlagen.«
»Rede mit ihr«, sagte ich. »Sie verzeiht dir, sieh doch.«
Als Linn seine Stimme hörte, hob sie den verwundeten Kopf vom Stroh und wedelte schwach mit dem Schwanz. Der Esel brummte im Schlaf.
»Ich kann nicht«, sagte Cormack betrübt. »Woher weiß ich, dass ich es nicht wieder tun werde? Ich sollte mich von allem fern halten, Menschen und Tieren.«
»Du hast etwas Grausames getan«, sagte ich. »Du kannst es nicht mehr zurücknehmen. Du hast Glück, dass dein Bruder den Schaden beheben kann. Aber sie braucht deine Liebe, damit es ihr wirklich wieder besser geht. Ein Hund beurteilt dich nicht. Sie liebt dich, ganz gleich, was du tust.«
Linn winselte.
»Geh schon«, sagte ich. »Streichle sie, rede mit ihr. Dann kann sie besser schlafen.«
»Aber was, wenn …«
»Du wirst es nicht wieder tun«, sagte ich grimmig. »Vertrau dir selbst, Cormack.«
Endlich kniete er nieder und streckte zögernd die Hand aus, um
Weitere Kostenlose Bücher