Die Tochter der Wälder
treffen und teilen und wieder treffen. Wir gehören zum Fluss des Sees und zum tief schlagenden Herzen des Waldes.«
Die Kerzen waren nun weiter niedergebrannt, und wir schwiegen wieder. Es war eine Jahreszeit, in der Geister sehr nahe waren, kaum zwei Monde vom Mittwintertag entfernt, und ich konnte in den Schatten rings um uns her beinahe ihre leisen Stimmen vernehmen. Padraic hatte nicht wieder gesprochen, aber er legte Cormack kurz die Hand auf die Schulter, und Cormack nickte. Conor sagte sehr leise zu seinem Zwilling: »Ich komme eine Weile mit dir in die Scheune.«
»Danke«, erwiderte Cormack.
Finbar blieb als einziger. Er saß da und starrte ins Feuer. Trotz unserer tapferen Worte schauten wir in einen Abgrund.
»Was denkst du, Finbar?«
»Etwas, das ich nicht mit dir teilen kann.«
Ich ging dichter ans Feuer und steckte die Hände in die Taschen, um sie zu wärmen. Die glatte Oberfläche von Simons Schnitzerei passte genau in meine Handfläche.
Sag es mir. Sag mir, was du siehst.
Ich versuchte, in seinen Geist zu schauen, aber es war eine Barriere da, eine dunkle Mauer um seine Gedanken.
Ich will dir keine Angst machen.
Ich fing ein Bild von mir selbst als kleinem Kind auf, das im fleckigen Sonnenlicht barfuß durch den Wald lief.
Hast du Angst?
Heftige Kälte. Wasser. Luft, die am Körper vorbeifegt, das seltsame Gefühl zu fallen, zu fliegen, zu fallen. So viel enthüllte er mir. Dann schloss er sich abrupt ab.
Ich kann das nicht mit dir teilen.
»Du kannst dich nicht vor der ganzen Welt verschließen«, sagte ich laut und bereits erschöpft von dem Versuch, in seine Geistesbilder einzubrechen. »Wie können wir einander helfen, wenn wir Geheimnisse haben?«
»Mein letztes Geheimnis mit dir zu teilen, hat uns nicht viel geholfen«, sagte er tonlos. »Oder dem Briten. Ich frage mich jetzt, wie viel meine Versuche, Vaters Werk entgegenzuarbeiten, wert waren. Du bist verletzt, und der Brite – ich habe kaum etwas für ihn tun können. Vielleicht sollte ich aufhören, mich einzumischen. Vielleicht sollte ich akzeptieren, dass alle in unserer Familie Mörder sind. Wenn Lady Oonagh uns als Spielfiguren will, was macht das schon?« Er grinste schief.
»Das glaubst du doch nicht wirklich, Finbar!« Ich war entsetzt; konnte er sich so rasch verändert haben? »Sieh mir in die Augen und sag das noch einmal.« Ich nahm sein Gesicht fest zwischen meine Hände, und ich bemerkte, dass sein Blick so klar und weitblickend wie immer war.
»Schon gut, Sorcha«, sagte er sanft. »Ich habe nachgedacht, das ist alles. Ich habe mich nicht so sehr verändert. Aber ich weiß, dass uns großes Übel bevorsteht, und ich frage mich, ob unsere Kraft genügen wird, um zu widerstehen. Ich wünschte, du wärest irgendwo in Sicherheit, nicht hier in der Mitte von allem. Und ich muss mich auf meine Brüder verlassen, muss in der Lage sein, allen von ihnen zu trauen.«
»Du kannst ihnen vertrauen«, sagte ich. »Du hast gehört, was sie gesagt haben. Wir teilen einen Geist, und so wird es immer sein. Wann immer einer von uns in Schwierigkeiten ist, werden sechs da sein, um zu helfen.«
»Ihr Geschäft ist Folter und Tod. Wie können sie vom selben Geist sein wie du oder Conor oder ich?«
»Darauf habe ich keine Antwort. Nur – nur dass, wenn du die Geschichten glaubst, es im Wesen unseres Volkes liegt, in den Krieg zu ziehen und zu töten, genau wie zu singen und Geschichten zu erzählen. Vielleicht sind das zwei Hälften derselben Geschichte. Ich weiß, wir sieben stammen aus einer Familie, und wir haben nur einander. Und das muss genügen.«
Aber ein Bruder fehlte bereits, und als ich die Tür öffnete, um Finbar nach draußen zu lassen, sahen wir ihn am Ende des langen Flures, wie er leise aus einer Schlafkammer schlich, die nicht seine eigene war. Sie verbarg sich hinter der Tür, als sie sich von ihm verabschiedete, aber wir sahen, wie sie ihren weißen Arm ausstreckte und mit den Fingern über seine Wange strich, und dann schlich Diarmid barfuß davon, so betört und blind wie ein Junge, der vom Feenvolk verzaubert wurde. Finbar sah mich an und ich ihn, aber wir sagten beide kein Wort.
***
Also heirateten sie – sie in einem langen Gewand aus tiefstem Rotbraun und mein Vater, der sie ansah, als gäbe es außer ihnen beiden keine Seele auf der Welt, während ringsum die Familie, die Gäste, die Männer der Garnisonen, die Diener und die Bauern vor sich hin murmelten und Seitenblicke austauschten. Ich
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