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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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schrecklich. »Katz und Maus. Warum bringt ihr mich nicht einfach um?«
    Er musste die Worte geradezu herauszwingen, und ich konnte ihn kaum verstehen. Dennoch, allein die Tatsache, dass er etwas sagte, hatte viel zu bedeuten.
    »Dauert es so lange, bis ihr begreift, dass ich nicht reden werde? Macht ein Ende, verdammt.«
    Das schien ihn vollkommen zu erschöpfen, und er lehnte sich aufs Bett zurück und starrte ins Leere, die Decke immer noch fest um sich geschlungen. Ich wählte meine Worte sorgfältig.
    »Es sind die Männer, die solche Spiele spielen«, sagte ich, »und Männer, die dir das angetan haben. Ich bitte dich nicht, mir irgendwelche Geheimnisse zu verraten – ich will nur, dass du gesund wirst. Das hier ist kein Becher von Isha; trink davon, und du wirst nur bekommen, was dein Körper braucht. Außerdem war es einer meiner Brüder, der dich gerettet hat, und ich habe ihm geholfen. Wieso sollte ich dir jetzt Schaden zufügen wollen?«
    Nun drehte er seinen Kopf ein wenig und sah mich geringschätzig an.
    »Einer deiner Brüder«, sagte er. »Wie viele hast du?«
    »Sechs.«
    »Sechs«, echote er verächtlich. »Sechs Mörder. Sechs Teufel. Aber wie kannst du das verstehen? Du bist ein Mädchen.«
    In seinem Tonfall schwangen sowohl Gift als auch Angst mit. Ich fragte mich, wie es Vater Brien überhaupt gelungen war, ihn so lange am Leben zu erhalten; vielleicht hatten die Kräuter den Jungen kooperativer gemacht.
    »Mein Bruder hat viel aufs Spiel gesetzt, um dir zu helfen«, sagte ich, »und ich ebenfalls.« Aber du wurdest in meinem Haus von meinen Leuten gefoltert. »Mein Bruder tut immer das Richtige. Er verrät niemals ein Geheimnis. Und ich mag dir wie ein Kind vorkommen, aber ich weiß, was ich hier tue – deshalb hat man nach mir geschickt. Ich weiß nicht, was sie mit dir vorhaben, aber man wird dir sicher helfen, eine Zuflucht zu erreichen, von der aus du nach Hause zurückgehen kannst.«
    Er gab ein höhnisches Lachen von sich, so plötzlich, dass es mich erschreckte.
    »Nach Hause!« erwiderte er verbittert. »Das denke ich nicht.« Er hatte den Griff um die Decke ein wenig gelöst und verschränkte nun die Finger. »Es gibt dort keinen Platz für mich, und auch nirgendwo sonst. Warum solltest du dich darum kümmern? Geh zurück zu deinen Puppen. Dich hierher zu schicken war dumm. Was glaubst du, wie schnell ich dich umbringen könnte? Ein schneller Griff zum Haar, kurz den Hals umgedreht … ich wäre dazu fähig. Was hat er geglaubt, dein Bruder?«
    Er bog die Finger.
    »Gut«, sagte ich anerkennend und versuchte, mit fester Stimme zu sprechen. »Zumindest fängst du an, zu denken und dich umzusehen. Vielleicht hatte mein Bruder unrecht und Vater Brien ebenfalls; immerhin haben sie erwartet, dass ein Krieger wie du eine Schuld bezahlen kann. Vielleicht glaubten sie, dass es bei deinem Volk so etwas wie Ehre gibt wie bei unserem.«
    »Ehre? Ha!« Er sah mich direkt an, und ich bemerkte, dass sein Gesicht hätte hübsch sein können, hätte es nicht diese Zeichen von Schmerz und Erschöpfung getragen. Seine Nase war lang und gerade, die Züge ausgeprägt. »Du weißt gar nichts, Mädchen. Bitte deinen Bruder, dich durch ein Dorf zu führen, wenn er und seine Männer damit fertig sind, und lass dir von ihm zeigen, was übrig geblieben ist. Frag ihn, ob er jemals eine schwangere Frau gepfählt hat wie ein Spanferkel. Erinnere ihn an die Gewohnheit deines Volkes, ihren Opfern Arme und Beine abzuschneiden, während sie nach einem raschen Ende schreien.« Er hob die Stimme. »Frag ihn nach den Anwendungen heißen Eisens. Und dann erzähl mir mehr von Ehre.«
    Er hielt inne, begann zu husten, und ich hielt ihm ohne nachzudenken den Wasserbecher an die Lippen. Wegen seines Hustens und seiner angestrengten Versuche zu atmen und wegen des Zitterns meiner Hand wurde das meiste Wasser aufs Bett verspritzt, aber es gelang ihm, ein paar Tropfen zu trinken. Endlich holte er tief Luft und sah mich über den Rand des Bechers an.
    »Verdammt sollst du sein«, sagte er leise, nahm den Becher aus meiner Hand und trank den Rest. »Verdammt sollt ihr alle sein.«
    Vater Brien wählte diesen Augenblick, um in der Tür zu erscheinen, sah mich kurz an und befahl mir, nach draußen zu gehen. Dort saß ich dann unter den Bäumen, lauschte den leisen Geräuschen von Vögeln und Insekten, die ihren Alltagsdingen nachgingen, und weinte um meinen Vater, meine Brüder und um mich.
    Vater Brien blieb lange in der

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