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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Spuren ihrer Untaten gesehen, denn in Killery gab es eine Ruine, wo sie die heiligen Frauen getötet und ihre Zuflucht zerstört hatten. Ich ging nur einmal dort hin. Es lag ein Schatten über diesem Ort. Wenn man zwischen den Trümmern einherging, konnte man immer noch das Echo der Schreie der Frauen hören.
    Aber mein Vater war anders. Lord Colums Autorität war absolut. Innerhalb des Ringes von Hügeln, die von uraltem Wald bedeckt waren, waren seine Grenzen so sicher, wie es in diesen unruhigen Zeiten überhaupt nur möglich war. Für jene, die ihn nicht achteten, die ihn nicht verstanden, war der Wald undurchdringlich. Ein Mann oder ein ganzer Trupp von Männern, die sich nicht auskannten, konnte sich dort hoffnungslos verirren in all den plötzlichen Nebelfeldern, den abzweigenden, trügerischen Pfaden und anderen, älteren Dingen, die kein Wikinger oder Brite je hoffen konnte zu verstehen. Der Wald schützte uns. Unser Land war sicher vor Banditen, ob sie nun über die See kamen oder Nachbarn waren, die planten, ihren Ländereien ein paar Weiden oder ihrer Herde ein paar Stück Vieh hinzuzufügen. Sie fürchteten Sevenwaters und machten einen großen Bogen um uns.
    Aber Vater hatte wenig Zeit, sich mit den Nordländern oder den Pikten zu befassen, denn wir führten unseren eigenen Krieg. Wir waren im Krieg mit den Briten. Ganz besonders mit einer bestimmten Familie von Briten, den Northwoods. Diese Fehde hatte eine lange Geschichte. Ich gab mich nicht sonderlich damit ab. Immerhin war ich ein Mädchen und wusste außerdem Besseres mit meiner Zeit anzufangen. Außerdem hatte ich noch nie einen Briten oder einen Nordmann oder einen Pikten gesehen. Sie waren für mich nicht wirklicher als Geschöpfe aus alten Legenden, Drachen oder Riesen.
    Vater war einen großen Teil der Zeit unterwegs, knüpfte Allianzen mit Nachbarn an, überprüfte die Außenposten, inspizierte die Wachtürme, rekrutierte Männer. Mir waren jene Zeiten am liebsten, wenn wir die Tage verbringen konnten, wie wir wollten: den Wald erforschen, auf die hohen Eichen klettern, Expeditionen zur anderen Seeseite durchführen und die ganze Nacht draußen bleiben. Ich lernte, wie man Brombeeren und Haselnüsse und Holzäpfel findet. Ich lernte, wie man ein Feuer anzünden konnte, selbst wenn das Holz feucht ist, und in den Kohlen Kastanien oder Zwiebeln briet. Ich konnte einen Unterschlupf aus Farnkraut bauen und ein Floß geradeaus steuern.
    Ich war am liebsten draußen und spürte den Wind auf meinem Gesicht. Dennoch unterrichtete ich mich auch weiterhin in der Heilkunst, denn mein Herz sagte mir, dass dies meine wirkliche Aufgabe sein würde. Wir konnten alle lesen, obwohl Conor mit Abstand der Geschickteste war, und in einem Raum im Obergeschoss der Festung gab es alte Manuskripte und Schriftrollen. Diese verschlang ich in meinem Wissensdurst und hielt es für ganz und gar nicht ungewöhnlich, denn es war die einzige Welt, die ich kannte. Ich wusste nicht, dass andere zwölfjährige Mädchen stickten, sich gegenseitig das Haar zu kunstvollen Kronen flochten und lernten, wie man tanzte und sang. Ich verstand nicht, dass nur wenige von ihnen lesen konnten und dass die Bücher und Rollen, die diesen stillen Raum im Obergeschoss füllten, in einer Zeit von Zerstörung und Plünderung unbezahlbare Schätze darstellten. Sicher im Schatten seiner Wächterbäume, von Kräften älter als die Zeit vor der Welt verborgen, war unser Zuhause tatsächlich ein ganz anderer Ort.
    Wenn mein Vater dort war, veränderten sich die Dinge. Nicht, dass er sich sonderlich für uns interessierte; seine Besuche waren kurz und galten weiteren Beratungen und Verhandlungen. Aber er sah zu, wie die Jungen mit Schwert oder Stab übten oder vom Rücken eines galoppierenden Pferdes ihre Äxte warfen. Man wusste nie, was Vater dachte, denn sein Blick verriet nichts. Er war ein kräftig gebauter Mann mit strenger Miene, und alles an ihm kündete von Disziplin. Er kleidete sich einfach; aber er hatte etwas an sich, das einem sofort mitteilte, dass er ein Anführer war. Er trug sein braunes Haar fest zusammengebunden. Wohin auch immer er ging, von der Halle in den Hof, vom Schlafraum in die Ställe, seine beiden großen Wolfshunde trabten lautlos hinter ihm her. Das, so nehme ich an, war der einzige Luxus, den er sich leistete. Aber selbst sie hatten ihren Nutzen.
    Jedes Mal wenn er nach Hause kam, begrüßte er uns alle förmlich und sah sich an, welche Fortschritte wir gemacht

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