Die Tochter der Wälder
eilte den Weg entlang, so gut er konnte, hinkte dabei ein wenig und streckte die großen Hände aus, um ein Band hier, eine Blüte da zu berühren, und sein breites Lächeln entblößte hervorstehende Zähne.
Die anderen waren ohne ihn weitergegangen, aber das schien ihn nicht zu stören. Stattdessen wählte er eine Stelle direkt unter meinem Baum, um sich an die Straße zu setzen und in seiner Tasche zu suchen. Ich wollte gehen, aber ich konnte mich nicht rühren. Der Junge holte ein Stück Brot und Käse heraus und begann, in aller Ruhe zu essen. Das konnte ich ihm kaum übel nehmen; immerhin hatte er dieselbe Stelle wie ich gewählt, um den Anblick und die Düfte dieses wunderschönen Sommertages zu genießen. Also wartete ich und beobachtete ihn bei jedem Bissen. Es war lange her, seit ich zum letzten Mal Brot gegessen hatte. Nachdem er fertig war, schien der Junge einzudösen, sein Hut rutschte ihm beinahe über die Augen, die Hände hingen zwischen seinen Knien, und er schien seine Umwelt kaum mehr wahrzunehmen. Ich wartete noch ein wenig. Er gab keine Anzeichen, dass er sich bewegen würde. Ich dachte an meine Brüder, an den langen Weg zurück zum See, und begann sehr langsam herunterzuklettern.
Es gab eine Zeit, in der meine Brüder und ich uns lautlos und schnell durch den Wald bewegen konnten. Niemand hätte uns gesehen oder uns gehört oder gefangen. Aber nun hatten meine Hände ihre Beweglichkeit und Sicherheit verloren. Einen Augenblick lang verlor ich den Halt und griff nach einem Ast, und ein Zweig knackte – nur das winzigste Geräusch. Der junge Mann war sofort auf den Beinen und starrte mich staunend an.
»Fee!« rief er mit lauter, ein wenig verschwommener Stimme. »Eine Fee!«
Sein Grinsen war breit und erfreut, als wäre sein schönster Traum Wirklichkeit geworden. Einen Augenblick lang starrte ich zurück. Dann sprang ich zu Boden, nahm mein Bündel, floh in den Wald und überzeugte mich, dass mir niemand nach Hause folgte. Armer Junge. Ich fragte mich, wie oft er schon dort gewartet hatte, in der Hoffnung, eine vom Feenvolk zu sehen. Und tatsächlich waren es oft solche wie er, denen sie erschienen. Ich hoffte nur, wenn er seine Geschichte erzählte, dass man sie seiner Phantasie zuschrieb.
Die Begegnung hatte mich erschüttert. Mich ausgerechnet am Tag der möglichen Rückkehr meiner Brüder entdecken zu lassen, war ausgesprochen dumm gewesen. Ich schwor mir, nie wieder dorthin zu gehen, so groß mein Bedürfnis, Menschen zu sehen, auch sein mochte. Niemand durfte in meinem Dorf davon erfahren, auf keinen Fall Lady Oonagh. Denn sie würde mich holen kommen, wenn sie wüsste, wo ich war, davon war ich überzeugt. Außerdem hatte ich kostbare Zeit verschwendet. Es war bereits Mittsommer und das erste Hemd kaum begonnen. Bei diesem Tempo würde ich noch viele Monde lang hier sein. Ich eilte durch den Wald nach Hause und konnte kaum erwarten, dass es Abend wurde.
Um die Wahrheit zu sagen, jenes erste Mal zweifelte ich kaum daran, dass sie zurückkehren würden, wie sie mir gesagt hatte. Und so bereitete ich alles für sie vor, ich wusch mich, ich zog einen Kamm durch mein zerzaustes Haar und räumte mein einfaches Zuhause so gut wie möglich auf. Ich ließ das Feuer brennen, obwohl es nur winzig war, und ging hinunter zum Seeufer, lange vor Sonnenuntergang. Dort vollzog ich das Ritual, einsam und schweigend. Ich achtete darauf, nichts auszulassen. Nacheinander grüßte ich die Geister von Feuer, Luft, Wasser und Erde. Ich bat um nichts. Stattdessen öffnete ich meinen Geist dem, was kommen würde. Ich sagte ihnen, ich würde akzeptieren, was immer geschah. Ich bat sie, mich in das große Netz des Lebens aufzunehmen und mich zu benutzen, wie sie wollten. Als ich fertig war, griff ich nach meinem Eichenstock, der einmal Vater Brien gehört hatte, und zog den Kreis auf dem weißen Sand ringsumher. Ich setzte mich im Schneidersitz in die Mitte und wartete. Langsam drangen die Geräusche des Waldes wieder in mein Bewusstsein. Bäume rauschten, Vögel sangen. Ich konnte nichts weiter tun. Der Himmel wurde rötlich violett und schließlich grau. Eine Eule flatterte über mich hinweg, ihr trauriger Ruf trieb in der Abendluft. Nicht lange, nicht mehr lange. Linn war still, hockte im Gras und sah mich an. Nun kam sie näher gerutscht und knurrte dabei leise. Sie waren da, draußen auf dem Wasser, alle zusammen, weiße Gespenster auf den dunkler werdenden Wellen. Mein Herz setzte beinahe aus, aber
Weitere Kostenlose Bücher