Die Tochter der Wanderhure
Mal in Angst.
Er musste an seine Mutter denken, die ihm oft genug gepredigt hatte, er habe sich von Mägden und losen Frauen fernzuhalten und sich mit dem Eheweib zu begnügen, welches sie für ihn aussuchenwürde. Noch während er sich vorstellte, was er von ihr zu hören bekäme, wenn sie von dieser Sache erfuhr, dachte er mit noch größerem Schrecken daran, dass Bona mit Moritz von Mertelsbach verlobt war. Fände der alte Ritter heraus, was hier geschehen war, würde er ihm und seiner Mutter die Fehde erklären oder einen anderen Weg finden, sich an ihm zu rächen.
Während Hardwin sich zwischen zwei Mühlsteinen sah, die ihn unweigerlich zerquetschen mussten, kam Georg von Gressingen mit einem letzten, wilden Keuchen zu seinem Höhepunkt und ließ dann mit zufriedener Miene von Trudi ab. Während er sich die Hose richtete, zwinkerte er seinem Begleiter zu.
»Ein Mädchen wie Bona zu besteigen, ist doch etwas anderes als die Sache mit der Magd, von der du mir erzählt hast.«
Hardwin schoss hoch und starrte seinen Freund mit weit aufgerissenen Augen an. »Mein Gott, was haben wir getan? Bona ist die Tochter unseres Gastgebers und Ritter Moritz’ Braut. Die beiden werden Steinsfeld die Fehde erklären.«
Es dauerte einen Augenblick, bis Georg von Gressingen begriff, dass sein Begleiter sich vor Angst beinahe in die Hosen machte. Dann aber packte er ihn und schüttelte ihn wütend durch. »Jetzt nimm Vernunft an, du Narr! Das, was hier geschehen ist, kannst du nicht mehr ungeschehen machen. Aber halte um Gottes willen den Mund und sprich kein Wort darüber. Das Mädchen wird es schon aus Angst um ihren eigenen Ruf nicht tun.«
»Ich wollte es gar nicht. Du hast mich dazu überredet! Ich habe extra noch Wein holen müssen, damit du Bona und Trudi betrunken machen konntest. Wenn du nicht …«
Georg versetzte dem Jüngeren eine schallende Ohrfeige. »Habe ich Jungfer Bonas Häutchen gesprengt oder du? Du bist wie ein wilder Bulle über sie hergefallen und hättest ihr sogar Gewalt angetan, wenn sie nicht freiwillig stillgehalten hätte!«
Hardwin schob die Unterlippe vor und kämpfte mit den Tränen. »Ich hätte überhaupt nichts getan, wenn du mich nicht dazu aufgestachelthättest. Nur wegen dir habe ich Jungfer Bona behandelt, als wäre sie eine wohlfeile Magd. Ich …«
Gressingen zweifelte schon am Verstand seines Begleiters, aber dann wurde ihm klar, dass Hardwin zwar wie ein Mann aussah, im Grunde seines Herzens aber ein Kind geblieben war. Bei einer Mutter wie Hertha von Steinsfeld hatte der Junge keinen eigenen Willen entwickeln können. Er stand nicht zu seiner Tat, wie es sich für einen Mann gehörte, sondern suchte die Schuld bei anderen. Dabei war der Steinsfelder bereits zu Beginn des Spaziergangs so spitz gewesen wie der Schoßhund der mittlerweile verstorbenen Äbtissin von Hilgertshausen, der versucht hatte, mit den Beinen jedes Besuchers zu kopulieren.
Wütend packte er Hardwin, schleifte ihn ein Stück in den Wald hinein und stieß ihn mit dem Rücken gegen einen Baumstamm, ohne dass der auch nur den Versuch machte, sich zu wehren. »Höre mir gut zu! Wenn du diese Sache aufbringst, wirst du es bereuen. Dann hast du nicht nur den Fuchsheimer und den Mertelsbacher zum Feind, sondern auch mich. Denke immer daran, ich habe mit Trudi Adler eine Zeugin, die gesehen hat, wie du Jungfer Bona bedrängt hast, und diese wird um ihrer eigenen Ehre willen schwören, dass sie nur der Gewalt nachgegeben hat.«
»Aber dann bist auch du dran! Du hast nämlich Michel Adlers Tochter betrunken gemacht, damit sie sich gegen deine Zudringlichkeiten nicht wehren konnte!« Nun blitzte etwas von dem Temperament seiner Mutter in Hardwin auf.
Gressingen zeigte sich unbeeindruckt und stieß ihn erneut gegen den Baum. »Meine Tat ist in dem Augenblick vergessen, in dem ich mit Jungfer Hiltrud vor den Altar trete. Du aber hast einen zornigen Vater und einen betrogenen Bräutigam am Hals, ganz abgesehen von deinem Drachen zu Hause.«
»Jetzt beleidigst du auch noch meine Mutter!« Hardwin stand kurz davor, sich mit dem Mann, den er zu Beginn des Spaziergangsnoch seinen besten Freund genannt hatte, bis aufs Blut zu schlagen. Als er noch ein Kind war, hatte seine Mutter ihm beigebracht, dass er ihr Schutz und Schirm sei und für sie eintreten müsse. In seinem Inneren focht der Zwang, die Ehre seiner Mutter mit blanker Waffe zu verteidigen, einen Kampf gegen seine ebenfalls anerzogene Zurückhaltung und die Angst
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